Faith (German Edition)
dunklen Fensterhöhlen des alten Hauses, die verschlossenen Türen, die Stille, nicht unterbrochen durch die Musik, die die Bewohner pausenlos gehört hatten, alles schrie nach dem Leben, das nun fehlte. Nur das Klopfen der Spechte im nahen Wald war zu hören.
Christian klopfte Adam auf die Schulter. „Komm, lass uns zu dem Baum gehen, der ja eines der Tore zur Anderswelt zu sein scheint.“
Laura beobachtete Christian, Paul und Adam, die mit Lena zusammen langsam auf die alte Eiche am Ende des Geländes zugingen.
Als der riesige, graue Wolf mit dem gespaltenen Gesicht auftauchte, schrie Laura auf.
Blut und Asche
„Du bist schmutzig.“ Faith strich über die dunklen Schlieren in Richards Gesicht. Blutige Kratzer von der nächtlichen Jagd durch den brennenden Wald vermischten sich mit Asche an Hals und Wangen. „Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen.“ Richard grinste. „Sagt man nicht so?“
„Meinst du, ich bin auch so schwarz im Gesicht wie du?“
„Nicht nur im Gesicht, mein Schatz.“
Faith sah an sich hinunter. Sie trug ein weites langes Leinenhemd mit hohen Schlitzen an den Seiten. Darunter bequeme Leinenhosen. Die zarten Pfirsichfarben der weichen Stoffe waren unter dem Grau der Asche allerdings kaum noch zu erkennen.
„Vielleicht gibt es Wasser hier in der Gegend?“
„Mir gefällst du so wie du bist.“
Richard zog sie wieder an sich.
Faith wehrte sich nicht. Sie blieb, wo sie war, in seiner Umarmung fühlte sie sich sicher und behütet.
Sie musste noch einmal eingeschlafen sein.
Als Faith die Augen öffnete, war Richard nicht mehr da, stattdessen saß Murat, als ob er sie bewachte, in unmittelbarer Nähe.
Der graue Wolf hechelte mit weit geöffnetem Maul und sah sie unverwandt an. Es sah fast so aus, als ob er lächelte.
„Wo ist Richard?“
Ohne es zu merken hatte sie die Frage laut gestellt.
In ihrem Kopf formte sich die Antwort.
„Er sucht Wasser.“
Die Ohren des Wolfes zuckten. „Er kommt zurück, er hat Wasser gefunden.“
Sie hörte Richard, bevor sie ihn erblickte. Er bahnte sich mit ausgebreiteten Armen eine breite Schneise durch die Feensterne.
„Jetzt können wir uns waschen. Ich habe einen kleinen Wasserlauf gefunden. Es ist nicht weit.“
Mit Faith an der Seite ging Richard jetzt um den Acker mit den Feensternen herum. Er befürchtete, sie könnte dem Duft, den sie verströmten, nicht widerstehen. Der Duft war nicht so stark, wie er ihn in Erinnerung hatte, aber er wollte lieber vorsichtig sein. Nicht viele waren gefeit gegen die Verlockung der violetten Blüten.
Murat folgte den beiden in weitem Abstand.
Das grüne, vollkommen klare Wasser des Flüsschens floss eilig über glatte graue Steine, deren flache Mulden so etwas wie natürliche Badewannen bildeten.
Die Luft war warm. Faith stürzte sich, ohne zu zögern, in den Fluss.
Mit wenigen kräftigen Zügen erreichte sie eine der Wannen. Sie zog sich hoch und ließ sich in die Mulde fallen.
Die Sonne hatte das Wasser wunderbar gewärmt. Wohlig schloss sie die Augen, um sie gleich darauf erschreckt wieder aufzureißen, weil Richard mit einem Riesenplatsch beinahe auf ihr landete.
„Ich muss dir etwas sagen.“
Richard kniete vor Faith und nahm ihr Gesicht in beide Hände.
Sie hatten ihre Kleider gewaschen und warteten darauf, dass die Sonne sie trocknen würde.
Faith blickte ihn aufmerksam und ein wenig beunruhigt an.
„Murat hat es mir gesagt: Dein Vater ist bei Annabelle.“
„Richard, bitte, glaubst du, dass du das richtig verstanden hast?“
„Ich habe Murat noch nie falsch verstanden.“
Plötzlich fror Faith. Entschlossen griff sie nach ihren fast trockenen Kleidern und zog sich an.
„Wir müssen los, ich kann nicht hier mit dir sitzen, während Robert darauf wartet, dass ich meinen Auftrag bei Leathan erledige.“
„Nein, warte, da ist noch was.“
„Was?“
Alles Sanfte war aus ihren grünen Augen verschwunden und machte einer entschiedenen Härte Platz.
„Jamal ist bei Robert, aber Lisa ist weg.“
„Weiß Murat, wo Lisa hingegangen ist?“
„Ich glaube nicht, aber Annabelle muss ausgerastet sein.“
„Also wird sie es auch nicht wissen.“
Jetzt hatte Annabelle also ihren Vater, um sie zu erpressen und zu zwingen, ihren Befehl, Leathan zu bestehlen, auszuführen.
Wenn Lisa tatsächlich die Flucht gelungen war, würde Annabelle sehr viel besser auf Robert aufpassen. Noch einmal würde ihr das nicht passieren.
Faith griff nach den Zügeln ihrer Stute.
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