Faith (German Edition)
Himmel wurde dunkel und ihre weiten Umhänge wehten wie riesige Rabenflügel hinter ihnen her. Stumm vor Angst verfolgte Faith ihre Ankunft. Richard zog sie hoch und stellte sich vor sie. Kein Laut, außer dem Schnauben der tiefschwarzen Rösser, war zu hören.
„Was wollt ihr?“
„Leathan hat uns befohlen, dich und das Mädchen sicher nach Hause zu bringen.“
Der Sprecher der zwölf Elfen grinste.
„Wir wissen, dass du auch allein zur Burg deines Vaters findest. Aber er war besorgt um dich.“
Langsam kam wieder Bewegung in die Bewohner der Stadt.
Offenbar hatte der Auftritt der Reiter diesmal nichts mit ihnen zu tun.
Wann immer ihre dunklen Gestalten sonst auftauchten gab es Ärger. Diesmal hofften sie, ungeschoren davonzukommen.
Erstaunt stellte Faith fest, wie Richard scheinbar wuchs.
Er richtete sich kerzengerade auf, seine Stimme wurde hart. Der Befehl, den er gab, duldete keinen Widerspruch.
„Ihr werdet warten!“
Sanft drückte er Faith auf ihren Platz zurück.
„Wir reiten seit Tagen und werden erst zu Ende essen. Ihr könnt vor der Stadt auf uns warten. Und lasst euch nicht einfallen, die Bewohner zu schikanieren.“
Er nahm neben Faith Platz und würdigte die Reiter keines Blickes mehr.
Faith war der Appetit vergangen, aber sie sah erstaunt, wie die Reiter ohne Widerrede ihre Pferde wendeten und die Stadt verließen. Richards Blick war kalt. Er wirkte entschlossen, fast abweisend, als er sie ansah.
„Wir werden so tun, als ob ich dich meinem Vater ausliefern wollte. Wir müssen versuchen, ihn zu täuschen. Wenn Leathan merkt, dass wir uns lieben, wird er das ausnutzen, wann immer es ihm einfällt und nützlich erscheint.“
Traurig sah Faith Richard an. Es würde ihr schwer fallen, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Aber zweifellos hatte Richard recht und es war sicherer, Leathan im Unklaren zu lassen.
Müde saß Faith vor Richard auf der Stute.
Die schwarzen Reiter trabten unmittelbar vor und hinter ihnen und ließen sie nicht aus den Augen.
Längst hatten sie die kleine Stadt mit den bunten Häusern hinter sich gelassen. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Ohne Pause waren sie die ganze Nacht hindurch geritten.
Die zartvioletten Blüten der Feensterne hoben ihre Köpfe nicht mehr der Sonne entgegen. Schlaff hingen sie an ihren Stängeln und ein schweflig fauliger Geruch hing über den Äckern.
Florus bei Annabelle
Fast zehn Tage war Florus gereist. Nicht mehr eingesperrt in den Felsen des Feentals zu sein, hätte er genießen können. Aber er hatte seine Familie dort zurücklassen müssen.
Er hatte dunkle Wälder, fast schwarz schimmernde Seen, helle Birkenwälder und Felder mit den gefährlichen, üppig blühenden Feensternen hinter sich gelassen. Florus ahnte nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass er diese Sternenblüten sehen würde. Das Fürstentum Leathans war ursprünglich ein schönes Land gewesen.
Bedrohlich manchmal, wegen der öden, vernachlässigten Landstriche, aber auch majestätisch, mit hohen dunklen Tannenwäldern.
Er kannte die Wege hier und umging den beängstigenden Regenwald mit den moorigen Böden, in denen man versinken und sich hoffnungslos verlieren konnte. Er wusste von den giftigen und todbringenden Pflanzen und Tieren, die diese Wälder beherbergten.
Zu der Zeit, in der er noch in Magalies Fürstentum lebte, war er oft in der Anderswelt unterwegs gewesen. Alle Fürsten hatten großes Interesse an der Kunst der Artisanen, insbesondere an der von Florus, der einer ihrer besten Künstler war. Sein Weg führte ihn an prächtigen Bauten vorbei, die von den Höhenzügen auf die Reisenden herabzublickten schienen. Viele der eindrucksvollen Gebäude hatte Florus besucht, um für deren Besitzer zu arbeiten.
Aber jetzt endlich erhob sich vor ihm, nach einer mühevollen Reise, der honiggelbe Palast Annabelles. Die silbernen Kuppeln mit ihren goldenen Spitzen funkelten in der Sonne. Weißer Kies blendete im grellen Licht. Florus sah und hörte das heranrauschende Meer.
Wasser, klar und kühl.
Keine stinkende Brühe, wie die des Flusses im Feental.
Florus wunderte sich über die Armee von Kobolden vor ihm in ihren grasgrünen, blau abgesetzten Uniformen. Sie standen wie eine lebende Palisade mit aufgestellten Schilden rund um das Schloss.
Wieso waren sie hier?
Früher war Annabelles Schloss nie so stark bewacht gewesen.
Als er sich näherte, ließen die o-beinigen, pelzigen Gesellen ihn ohne Weiteres durch, was Florus vermuten ließ, dass
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