Faith (German Edition)
sie nicht angesichts einer Gefahr von außen hier wachten.
Vielleicht bewachten sie etwas im Inneren?
Florus war bereits angemeldet. Zwei Elfen in langen, weißen Gewändern erwarteten ihn auf der obersten Stufe der Freitreppe, die zum Eingangsportal führte. Neugierige Lulabellen flatterten über dem Bassin in der gewaltigen, von einer silbernen Kuppel überwölbten Eingangshalle.
Begleitet von den Elfen stieg er die Stufen empor, die ihn durch die endlosen Flure zu Annabelles Räumen führten.
Auch hier standen Kobolde vor allen Türen und beobachteten mit ihren runden wimpernlosen Augen die Ein- und Ausgehenden.
Noch nie hatte Florus bei früheren Besuchen Kobolde innerhalb des Schlosses gesehen.
„Was ist denn hier los, warum stehen überall Wachen?“
Seine Begleiter raunten, die Finger über die Lippen gelegt, so leise, dass Florus kaum etwas verstand.
„Ein Mädchen ist verschwunden, ein Schmuckstück ist unauffindbar und Annabelle hat ,Besuch‘, den sie nicht auch noch verlieren möchte, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Sie will verhindern, dass auch dieser ,Besuch‘ verschwindet?“
„Genauso ist es.“
Florus kannte die beiden Elfen, die ihn zu Annabelle brachten, sonst hätten sie ihm kaum Auskunft gegeben.
Sie war immer noch reizbar und der Troll, der vor einigen Tagen sein Leben verloren hatte, stand allen noch deutlich vor Augen.
„Und dieses Chaos?“
Florus sah um sich.
Zerbrochene Statuen, von den Wänden gefallene Bilder, deren zerstörte kostbare Rahmen umherlagen, Splitter von kristallenen Vasen und Spiegeln zeugten von gewaltiger Zerstörungswut.
Hier hatte jemand getobt, ohne sich im Geringsten um die Folgen zu kümmern.
Florus konnte sich denken, wer hier explodiert war. Er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
„Das war nicht komisch, einer der Trolle hat dabei sein Leben verloren. Und Robert steht seitdem unter strengster Bewachung. Außerdem sind alle Feste, Spiele und überhaupt jeglicher Spaß verboten.“ Letzteres schienen die beiden wirklich zu bedauern.
Florus hörte den beiden nicht mehr zu. Er dachte an Robert, der offenbar seine Flucht aus den Felskaminen überlebt hatte, aber bei Annabelle gelandet war.
Ob es viel angenehmer war in ihrer, statt in Leathans Gewalt zu sein, wagte Florus zu bezweifeln.
Auch Florus wusste, dass der Sterbliche nicht zu lange in der Anderswelt bleiben durfte.
Er hatte Robert immer gemocht, sein aufrichtiges Interesse an der Arbeit der Artisanen geschätzt, und er wusste, dass Magalies Herz nur Robert gehörte.
Allein diese Tatsache war Grund genug auf seiner Seite zu stehen.
Die Türen zu Annabelles Räumen standen weit offen und schon von Weitem war ihre ungeduldige Antwort zu hören.
„Oh doch, Robert, du wirst hierbleiben, bis deine zauberhafte Tochter ihren Auftrag erfüllt hat. Leathan hat meine Bedingungen erfüllt, den Fluss gereinigt und die Artisanen mir überlassen. Also wird er deine Tochter bekommen. Aber wenn sie klug ist, wird sie bald wieder hier sein. Im anderen Fall …“ Sie beendete ihren Satz nicht.
Robert verschluckte seine Entgegnung, als Florus mit den Elfen den Raum betrat.
Er hatte versucht, einen Fluchtweg zu finden, aber Annabelle hatte dafür gesorgt, dass ihm alle Möglichkeiten verschlossen blieben. Die Boote am Strand waren in die hermetisch abgeschlossenen Bootsschuppen deponiert worden. Die Pferdeställe wurden bewacht und nachts verschlossen, den Rest besorgten die Kobolde. Sogar die Silberfüchse zeigten neuerdings ein aggressiveres Verhalten, sobald Robert sich näherte.
Unter der heilen Oberfläche brodelte es wie in einem Vulkan, der nur darauf wartete, auszubrechen.
Roberts und Florus’ Blicke kreuzten sich für den Bruchteil einer Sekunde.
Dann verbeugte sich Florus vor Annabelle.
Robert stand scheinbar uninteressiert mit dem Rücken zu Florus und blickte hinaus auf das unruhige Meer.
Annabelle musterte Florus’ kräftige, muskulöse Gestalt mit sichtlicher Freude. Ihre Augen leuchteten wie die eines Kindes, das unerwartet ein Geschenk bekommt.
Sie betrachtete ihn offensichtlich als ihr Eigentum.
Robert hatte den Blick vom Meer gelöst und beobachtete Annabelles aufregend schönes Gesicht, das eine geradezu abstoßende Besitzgier ausstrahlte.
„Armer Florus“, dachte Robert.
Wie würde er mit ihren Besitzansprüchen umgehen?
Die Artisanen waren stolz, selbstbewusst und freiheitsliebend.
Als Eigentum angesehen zu werden, würde keinem von ihnen
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