Faith (German Edition)
Medaillon noch einmal ganz genau.
Magalie ließ das Schmuckstück wieder in ihr Hemd gleiten.
„Faith wird es erkennen, wenn sie es sieht.“
Richard und Faith in der Schlucht
Faith lag neben Richard und betrachtete die fast durchsichtige Sichel des Mondes über ihnen. Hier in der Nähe des Flusses war es warm.
Die Felsen speicherten die Hitze des Tages, die der glühende Himmel gesandt hatte. Sie hatten den Fluss ohne Zwischenfälle überquert. Die herausragenden, algenüberwucherten, glitschigen Felsbrocken hatten ihnen den Übergang ermöglicht.
Auf der anderen Seite fand sich ein kleiner Unterschlupf, der etwas erhöht über dem Tal lag. Jetzt blickten sie von oben auf das bräunliche Wasser und sahen zu, wie es weiter anschwoll. Die Felsen, auf denen sie eben noch gestanden hatten, waren zum Teil schon vom Wasser überspült.
„Der Mond sieht missmutig aus, so, als hätte er keine Lust zu scheinen.“
„Für mich ist es ein Wunder, ihn überhaupt zu sehen.“
„Wieso?“
„Der größere Teil von Leathans Land liegt im Inneren der Erde. Dort habe ich die meiste Zeit meiner Kindheit verbracht. Du musst dir meine Welt vorstellen wie einen Eisberg. Einen kleinen Teil meiner Welt kannst du sehen, der andere, größere Teil liegt unter der Erde. Dort scheint kein goldener Mond. Nur eine phosphorblaue Kugel, groß wie die Sonne, deren kaltes Dämmerlicht die Schattenwelt kaum erhellt. Deswegen haben wir Augen, die auch im Dunkeln sehen.“
Alarmiert sah Fath Richard an. „Müssen wir dahin, um deinen Vater zu treffen?“
„Wenn er uns nicht vorher findet, werde ich dich dorthin bringen. Aber vielleicht finden wir ihn schon in seiner Burg über der Erde.“
„Und wenn nicht?“
„Die Burg ist das Portal, durch das wir das eigentliche Schattenreich betreten können.“
„Oh nein!“
Faith stöhnte auf. Wie war sie nur in diese Parallelwelt geraten?
Eine Welt, in der es Feen gab, sprechende Tiere und Wesen, von deren Existenz niemand ahnte.
In der Licht- und Schattenreiche übereinanderlagen, miteinander um die Vorherrschaft rangen. Ein Kosmos im kalten Strahl eines Sterns, der kaum leuchtete oder wärmte.
So wie sie hatten auch Robert, ihr Vater und nur einige wenige ihrer Freunde die Fähigkeit, eine Welt wahrzunehmen, die für Sterbliche nur dann sichtbar war, wenn deren Bewohner es gestatteten.
Richard und sie selbst waren sogar Teil dieser fremden Welt. Sie fühlte sich wie in einem Traum, aus dem sie erwachen wollte, aber nicht konnte. Besaß sie so etwas wie ein drittes Auge? Sie konnte nur mit der Kraft ihrer Gedanken Tiere erscheinen lassen, sie konnte die Gedanken eines Wolfes lesen und hörte Gespräche über große Entfernungen hinweg. War sie ein Monster?
Richard stützte sich auf den Ellbogen und sah auf Faith hinab.
„Wir sind keine Monster, wir sind einfach nur anders als andere.“
„Du kannst meine Gedanken lesen.“
Richard lächelte. „Natürlich, ich liebe dich doch.“
Mit einem Finger fuhr er den Konturen ihrer schön geschwungenen Lippen nach, dann küsste er sie.
„Weißt du“, fuhr Richard fort, als habe er sich nie unterbrochen, „wir haben etwas geschenkt bekommen, was andere nicht besitzen. Wenn wir mit diesen Gaben verantwortungsvoll umgehen, könnten sie sehr nützlich sein. Kannst du dich an den Bücherstapel erinnern, der von deinem Schultisch fiel, der dann wieder auf dem Tisch lag, als du die Bücher aufheben wolltest?“
Faith nickte.
An dem Morgen war sie auf der Krankenstation gelandet, weil ihr schlecht geworden war. Sie hatte geglaubt, verrückt zu werden.
„Das war mein Werk. Damals habe ich mich schlecht benommen, und ich schäme mich dafür. Ich bin mit der Gabe, anderen etwas zu zeigen, was nicht ist, unverantwortlich umgegangen. Ich habe dich erschreckt. Das tut mir leid.“
Faith sah ihn nach diesem Geständnis eine Weile regungslos an, dann grinste sie und drohte: „Idiot, wenn du so etwas noch einmal mit mir machst, werde ich diesen Stein auf dich richten.“
Richard starrte auf den Ring an ihrem Finger und sah sie dann fragend an. Faith verriet ihm das Geheimnis des Mondsteins. Sehr viel später sollte sie das einmal bedauern.
Der Bote
Magalie war mit Chocolat auf dem Weg zurück zu den Apfelgärten, sie freute sich auf ihr Landhaus, gleichzeitig jedoch dachte sie an Robert und Faith, die sie schon jetzt schrecklich vermisste.
Aufmerksam sah sie sich um. Das Erdbeben hatte ihr Land weitgehend verschont. Die blühenden
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