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Faith (German Edition)

Faith (German Edition)

Titel: Faith (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Tintelnot
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es nicht. Hatte er alles nur geträumt? Seine Gedanken rasten.
    Er stand so plötzlich auf, dass sein Stuhl nach hinten kippte, wandte sich zur Tür und rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Er riss die Tür zu Faiths Zimmer auf, aber natürlich, es war leer.
    Die Furcht gab seiner Hoffnung, in einem Traum gefangen zu sein, Flügel.
    Aber Robert wusste, er hatte nicht geträumt.
    Langsam, als sei er um Jahre gealtert, stieg er die Treppe hinab, hob seinen Schreibtischstuhl auf und ließ sich hineinfallen. Dann hob er den Telefonhörer ab und wählte.
    „Internat Waldeck, Kirchheim-Zschiborsky.“
    „Guten Morgen, Annegret, hier spricht Robert.“
    „Robert!“
    Eine ganze Weile hörte er gar nichts, dann vernahm er die leise, ungläubige Stimme der Direktorin. „Sind Sie es wirklich, Robert?“
    Wenn er bis jetzt noch vage gehofft hatte, zu träumen, so zerstörte ihre Frage diese Hoffnung vollständig.
    „Kann ich zu Ihnen kommen?“
    „Selbstverständlich!“
    Er klang erschöpft. Sie hörte Anspannung, ja Angst in seiner Stimme.
    „Kommen sie gleich, Robert. Ich gebe heute keinen Unterricht.“
    Die Besprechung mit der Köchin und der Gang zur Bibliothek würden warten müssen.
    Wenn sie Robert nicht so gut gekannt hätte, hätte sie ihm kein Wort von dem geglaubt, was er ihr in den letzten zwei Stunden berichtet hatte. „Wie schlecht er aussieht, blass und müde“, dachte die Direktorin. „Und wie immer sind seine Haare ein bisschen zu lang.“
    Robert schloss mit einer Frage: „Aber seit wann bin ich zurück?“
    Sie sah ihn nachdenklich an. Man konnte ihm die Verwirrung ansehen, in der er sich befand. Aber sie sah sich außerstande, diese Frage zu beantworten. „Ich weiß es nicht, Robert, aber ist es wirklich so entscheidend, ob sie neunzig oder einundneunzig Tage in der Anderswelt verbracht haben?“
    „Ich fürchte, ja.“

Die alte Herrscherin
    Sie saß an der Harfe, ihre Finger glitten über die Saiten, aber heute war sie nicht bei ihrer Musik. Unablässig flogen ihre Gedanken zu ihrer Tochter.
    Magalie, das fühlte sie, brauchte sie, wie sie noch nie im Leben ihre Mutter gebraucht hatte.
    Sie spürte ihre Traurigkeit, wie sie immer alles, was ihre Tochter betraf, gespürt hatte.
    Die alte Herrscherin konzentrierte ihre magischen Kräfte, stand auf und trat zwischen die Säulen, die die eisernen Gitter, ein Geflecht aus Blüten und Blättern, hielten. Sie blickte nach draußen in die Ebene und wartete. Sie hörte ihn lange, bevor sie ihn sah. Corax. Sein lang gezogener sehnsuchtsvoller Ruf, er war ihr über die Jahrhunderte gefolgt. Corax war fast so alt wie die Herrscherin selbst.
    Sie hatte den Raben aufgezogen, er war ihr ständiger Begleiter geworden. Jetzt landete er zielsicher auf einer der Eisenblüten und hüpfte durch das Gitter auf ihre Schulter.
    Seine scharfen Krallen berührten sie mit unendlicher Zartheit. Den Schnabel versenkte er in ihrem dichten schlohweißen Haar, um dann sanft an ihrem Ohr zu knabbern.
    „Lass das!“ Lächelnd strich sie ihm über das glänzende Gefieder. „Du musst herausfinden, ob Magalie meine Hilfe braucht. Ich fühle, dass sie hilflos und traurig ist.“
    Unverzüglich flog der Rabe durch das Gitter und verließ die Herrscherin. Sein wehmütiger Abschiedsgruß hallte noch lange nach.
    Corax fand Magalie im Pavillon, wo sie die Nachricht des Boten entgegennahm.
    „Robert wird sterben, da er zu lange in unserer Welt gewesen ist. Leathan lässt dich fragen, was dich jetzt also noch hindert, dich mit ihm zusammenzutun?“
    „Mich hindert meine grenzenlose Abneigung, sag ihm das.“
    „Das wird er nicht gern hören.“
    „Ich bin nicht dazu da, Leathan zu sagen, was er gerne hört. Woher weiß Leathan, dass Robert zu lange in dieser Welt gewesen ist?“
    „Ich bin“, konterte der Bote, „nicht gekommen, dir das zu sagen.“
    Magalie sah ihn lang und durchdringend an.
    Wut, Demütigung, Zorn, blanker Hass.
    Eine schreckliche Ballung negativer Gefühle überrollte sie, als sie in seine Gedanken eindrang.
    Sie sah Annabelle und Leathan sich unversöhnlich gegenüberstehen. Sie sah, wie den einen freute, was den anderen kränkte. Sie sah Leathans kalte Freude an Annabelles Niederlage, als es ihr nicht gelang, sich Roberts zu bemächtigen.
    „Er hat mit Annabelle gesprochen.“
    Der Blick, den der Bote zu verbergen suchte, sagte ihr, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
    Die leisen Flügelschläge, mit denen Corax sich

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