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Faith (German Edition)

Faith (German Edition)

Titel: Faith (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Tintelnot
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Freitreppe zum Eingang des Internats empor.
    Sie war lange bei Madame Agnes gewesen. Es läutete gerade zum Schulschluss.
    Dieser erste Schultag hatte spät begonnen und endete früh. Die externen Schüler kamen ihr bereits aus den Fluren entgegen, um in den wartenden Schulbus zu steigen. Die Schülerinnen und Schüler, die im Internat wohnten, würden sich gleich zum Mittagessen im großen Saal, dem sogenannten Gewächshaus, treffen. Dort aßen sie gemeinsam mit ihren Lehrern.
    Sie musste sich beeilen, um pünktlich zu sein.
    Als sie die Tür zum Saal erreichte, hielt ihr, sehr zuvorkommend, Richard die Tür auf.
    „Nach der Mahlzeit in mein Büro, unverzüglich!“, zischte sie.
    Danach ging sie sehr gerade, aber auffallend bleich auf ihren Tisch zu, wo sie neben Glatze Platz nahm.
    „Der einzige Schüler, der einen Ansatz von Interesse an der lateinischen Sprache zeigt, ist der Neue“, beklagte sich Glatze, kaum, dass sie sich gesetzt hatte. „Die Schüler sind nach den Ferien immer besonders träge.“
    „Vielleicht liegt es an ihrem Unterricht“, konterte Frau Dr. Kirchheim-Zschiborsky zerstreut.
    Glatze ließ fast sein Besteck fallen.
    Sie bemerkte gar nicht, wie sehr sie ihn mit ihrer Bemerkung verletzt hatte. Abwesend nahm sie die Gabel und begann ihre Suppe zu essen.
    Leonhard, der ihr gegenüber saß, nahm ihr wortlos die Gabel aus der Hand und reichte ihr einen Löffel.
    „Wenn ich etwas für sie tun kann?“
    „Danke, mir geht es gut, ich war nur in Gedanken.“
    Sie bemühte sich um Selbstbeherrschung, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr Blick immer wieder zu Richard, der am anderen Ende des Raumes saß, wanderte.
    Einerseits war sie erleichtert, wenigstens eines ihrer Schäfchen wiedergefunden zu haben, auf der anderen Seite beunruhigte sie die Frage, wo der Rest der Herde sein mochte.
    Sie bemerkte, dass auch Richard unruhig war.
    Ben und Christian redeten auf ihn ein. Patricia hatte sich halb über den Tisch gelegt, um von der Unterhaltung der drei etwas mitzubekommen.
    Richard aß schnell und soweit sie sehen konnte, antwortete er einsilbig.
    Als er aufstand, wurde er von Lara, Laura und Lena umringt, zu denen sich Paul und Noah gesellten. Aber bevor Viktor und Valerie sich auch noch zu ihm durchgedrängelt hatten, ergriff er die Flucht. Da alle Köpfe zu ihr herumfuhren, nahm sie an, dass er seinen Freunden von ihrem Befehl, zu ihr zu kommen, erzählt hatte.
    Richard erwartete sie bereits vor ihrem Büro. Er hatte sich an die Wand gelehnt und betrachtete abwesend die mit reichlich Stuck verzierte Decke. Dort oben tobten fleischfarbene Engelchen mit goldenen Flügeln zwischen farbigen Blumenornamenten und in rankendem Blattwerk hängenden Trauben herum. Mit ihren fetten kurzen Beinchen und ihren feisten rosigen Wangen waren sie für jeden Kitschliebhaber eine wahre Augenweide. Die Direktorin liebte diesen sentimentalen Gefühlsausbruch unter der Decke, würde das allerdings selbst unter Folter niemals zugeben.
    Als Richard ihren schnellen Schritt hörte, blickte er ihr entgegen.
    Er sah eine schlanke, gepflegte Frau auf sich zukommen.
    Sie war mittelgroß. Ihre dunklen, von grauen Strähnen durchzogenen Haare umrahmten ein attraktives herzförmiges Gesicht mit grauen freundlichen Augen.
    Diese Augen allerdings loderten im Moment vor Wut. Da stand nun dieser Bengel, von dem alle schworen, er sei verschollen in der Anderswelt und obendrein in großer Gefahr, völlig unversehrt vor ihr.
    Normalerweise bot sie ihren Schülern einen Platz an und setzte sich mit ihnen an einen Tisch.
    Jetzt sah sie diesen gut aussehenden Jungen, ohne ihm einen Stuhl anzubieten, abwartend an und ließ sich hinter ihrem Schreibtisch nieder.
    Der Schreibtisch zwischen ihr und ihm sollte Richard klarmachen, dass es sich hier nicht um ein Plauderstündchen handelte.
    „Also bitte.“
    Und Richard redete. Er sprach von seinem Vater, von einem Land das traumhaft schön und schrecklich zugleich war. Von Annabelle und der Rivalität zwischen ihr und ihrem Bruder. Richard sprach über die besitzergreifende, ungesunde Liebe Leathans zu Magalie. Von dessen Lust zu zerstören. Von Annabelles Oberflächlichkeit, ihrer Gier nach Reichtum und Luxus.
    Richard rührte sie. Er stand mit hängenden Armen vor ihr. Als er von Faith sprach, konnte die Direktorin seine Sorge um sie spüren.
    Er hatte sich verliebt in dieses hübsche Mädchen und seine Zerrissenheit war deutlich. Die Zuneigung zu Faith und die Treue zu seinem Vater

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