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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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ansteigende
Bodenwelle lang. Die Bäume waren dicht gepflanzt, man kam aber einigermaßen gut
durch. Der ältere Mann folgte mir.
    - Die
Zufahrt geht vom nächsten Seitenweg ab, dort stehen auch die Torpfosten.
    Hinter der
Erhebung wurde mir klar, daß wir auf einem Lagergelände standen. Der allein
stehende hohe Pfeiler entpuppte sich als ein kleiner Schornstein - daneben
hatte sich offenbar die Lagerküche befunden. Hinter dem Schornstein sah man den
eingebrochenen Vorratskeller, ein Stück weiter entdeckte ich eine längliche
tiefe Betongrube unter intakten Querbalken aus Stahlbeton - das seien Latrinen
gewesen, erfuhr ich.
    - Und die
Tröge dort drüben? Ich zeigte auf die schmalen gemauerten Becken und betonierte
Rinnen ein Stück weiter.
    - Das
waren die Waschräume und die Wäscherei.
    Ich zeigte
ihm stumm mit dem Finger auf den Lippen, er solle meine Mutter noch nicht
rufen. Ihr Lager hieß »Am Schwedenwall«. Vor uns lag noch ein größeres
planiertes Gelände, auf dem man noch gut die Fundamente der Häftlingsbaracken
sehen konnte, davor mußte sich der Appellplatz befunden haben. Der Mann begann
an einer Stelle mit dem Fuß im Boden zu schaben und holte ein zerdrücktes
Emailleschild heraus.
    - Man
findet hier überall etwas, man braucht nur kurz zubuddeln. Wir fahren dann noch
ein Stück zurück zum Verwaltungsgebäude, dort finden wir mehr. Hätten wir
gleich machen sollen. Wir gingen zurück.
    - Wie sah
dein Lager aus? fragte ich meine Mutter vorsichtig.
    - Ich
würde es bestimmt nicht erkennen. Der Wald sah anders aus, die Bäume waren viel
höher, das alles ist wahrscheinlich neu gepflanzt worden. Hinter dem Lager war
eine Böschung, ein Wall.
    - Du
müßtest mitkommen, glaube ich.
    - Ich will
da nicht hin, Georg.
    - Sagten
Sie Böschung? Eine lange Böschung zum Bober gibt es auch beim Wasserwerk.
    Nachdem
wir den Baumstamm aus dem Weg geräumt hatten, sollte ich erst einmal wenden, um
zu dem angeblich so wichtigen Verwaltungsgebäude zu kommen. Wir fuhren also
zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren, passierten das Kraftwerk
und bogen nach einer Weile wieder ab. Auf einem betonierten Hof vor einem
zweistöckigen Gebäude ließ mich unser Exkursionsführer anhalten, stieg aus und
begann in einer Kuhle am Waldrand mit dem Schuh zu wühlen. Ich nahm mir dafür
einen Ast, und bald fand ich zwei Registrierkärtchen aus Metall, der eifrige
Mann brachte weitere. Er putzte sie alle nach und nach mit seinem Taschentuch
sauber. Die Namen der Angestellten - und der Zwangsarbeiter - konnte man jetzt
gut lesen, auch ihren Beruf oder ihre »Verwendung«, natürlich auch ihre Nummer
und ihr Geburtsdatum:
    *
    »669Mucha, Wladislaus - Arbeiter - 23.4.23,
Zawarau Kr. Buska - led. - Zawarau Kr. Buska -5 /669-E 2.11.43«;
    »540
Anicic, Risto - Elektriker - *19.8.20, Koplelica - ledig - Belgrad, Wojslawa
u.66 - lie / 540 - E 12.10. 44«;»2230 Sinjkowa, Wjera - Arbeiterin - *
15.10.23, *Kalininka Kr. Donetz - led. - Kalininka Kr. Donetz - 4 / 2230 - E
10.9.42«.
    Es waren
aber auch ältere Deutsche dabei, vielleicht Vorarbeiter:
    »325
Merkel, Paul - Apparatewart - *17.12.92, Dauki/Kr. Calau - vh.2 - Grossan - 4 /
325 - E 27.7.42«. Herr Merkel - vh.2 - war damals offenbar zum zweiten Mal
verheiratet gewesen, das übliche Kürzel war »vh.«.
    Konstruiert
waren diese Blechkärtchen wie die heutigen Kreditkarten, die Buchstaben waren
darin maschinell eingestanzt. Auch die Größe war ungefähr die gleiche. Man
konnte die Angaben mit Hilfe von Kohlepapier sicher auch auf Karteikarten
abziehen. Wir gaben die Suche irgendwann auf und gingen zum Auto. Nachdem wir
wieder den am Wegrand liegenden Baumstamm passiert hatten, fuhren wir eine
endlose Piste lang - immer tiefer in die Waldwildnis hinein. Meine Orientierung
funktionierte inzwischen nicht mehr, ich gab die Hoffnung auf, daß ich von hier
aus allein hinausfinden würde. Wir hatten mehrere Kreuzungen passiert, die
Piste war nicht immer gerade, knickte mehrfach scharf und ohne einen
einsehbaren Grund. Ganz plötzlich sollte ich anhalten und den Motor abstellen.
Weit und breit war allerdings kein einziges Gebäude zu sehen. Wir stiegen aus,
der Ältere winkte geheimnisvoll. Mir war nicht ganz wohl dabei, und ich fragte
ihn, was uns erwartete - er wollte es aber nicht verraten. Meine Mutter ging
diesmal ergeben mit, der Wald wurde dichter.
    - Bardzo
interesujace miejsce.
    Plötzlich
öffnete sich vor uns die Erde, im ersten Moment dachte ich an einen Krater.

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