Faktor, Jan
boden
Daß meine
private Zukunft sich zwischen den Nippeln und Spalten der fraulichen
Neozoikallandschaften abspielen würde, schien mir mehr als natürlich zu sein.
Und da auf mich diese Vorstellung nie beunruhigend gewirkt hat und ich kein
feingeistiger Dichter geworden bin, bin ich beim Verschriften der
Liebesthematik, beispielsweise auch beim Behandeln spezieller Stichworte wie
VORFREUDIGE SAFTVULVA, Beihodennullbeitrag, ZERHEULTE ROTZE, Pollution
verschmähten Bulbourethral-Schleims, VERPILZTE VORHAUT, Abschiedsausfluß und
einiger anderer, um größere Geschmacksverbrechen herumgekommen - ich hoffe es
jedenfalls. Zum Glück hatte ich aber auch nie das Bedürfnis, mir wegen meiner
Nippel-, Hügel- und Spaltenphilie übertrieben viel Jubel abzupressen. Nebenbei
bin ich sowieso ein Gegner jeder ernstgewuchteten Poesie geworden, und mein
Schädel füllt sich seit meiner Kindheit mit dunkler Leere, wenn ich
gedichtartige Wortgebilde zu sehen oder zu hören bekomme. Kein Wunder! Der
junge Georg wurde durch die Fernsehsendung »Das sonntägliche Sträußchen der
Poesie« tief furchig traumatisiert. Ein an ein Klavier gelehnter Schauspieler
sagte zehn Minuten lang mit unsäglichem Pathos schwülstige Reime auf, und die
ganze Nation - nicht nur Georg - litt, weil jedermann auf den ausländischen
Spitzenspielfilm der Woche wartete.
Die
Naivität, mit der ich alle möglichen auf mich einwirkenden Kraftfelder und mich
durchschreitenden Enersiequanten ertragen habe, kommt mir im Nachhinein
erschreckend vor. Da ich mir in der Schule ein Schema über die für die Wetterbildung
hauptverantwortlichen Luftströmungen nicht sphärisch vorstellen konnte, gab ich
es irgendwann auf, mich mit den Gründen für Wetterveränderungen zu befassen.
Ich wußte einfach nicht, warum es - unabhängig von der Sonnenstrahlung -
draußen manchmal viel kälter oder wärmer war, als beim Blick durchs Fenster zu
erwarten gewesen wäre. Ich nahm das Wetter über dreißig Jahre lang einfach hin
- bis ich einiges endlich anhand von Satellitenbildern begriff. Ähnlich naiv
betrachtete ich die psychischen Dispositionen meiner Mitmenschen - und schätzte
ihre seelische Aussteuer als etwas ein, das jeder im fertiggebackenen Zustand
geliefert bekommen hatte. Und da die jeweiligen Seelen ganz offensichtlich
nicht mehr umgebacken werden konnten, nahm ich beispielsweise an, jeder wäre
gezwungen, auch mit seinen ihm untergeschobenen Macken für immer auszukommen -
möglichst auf der Basis eines Stillhalteabkommens. Lüfte bliesen, Substanzen
verteilten sich, Energien flossen - oder flossen nicht. Wenn zu uns bestimmte
Menschen kamen und laut klagten, war mir seit dem Sabberalter intuitiv klar,
daß den meisten von ihnen nicht zu helfen war.
- Wieso
kommt aus mir nie Kunst heraus, wenn ich etwas aufschreibe? jammerte ein
bekannter Journalist wiederholt bei uns.
Ich mußte
mich glücklicherweise nie darum kümmern, was aus mir später herausströmen
wollen würde. Ich konnte ruhig warten, bis sich die für mich bestimmten
Überraschungen konkretisieren würden. Daß zähfließende Schmiersubstanzen oft
üble Flecke hinterlassen konnten, beschäftigte mich meine ganze Kindheit
überraschenderweise auch noch nicht. Für einen erwachsenen Mann und
Familienvater, wie ich heute einer bin, ist eine solche Lässigkeit kaum
vorstellbar. Dabei lassen sich manche Flecke überhaupt nicht entfernen, ohne
die Substanz und Struktur des Fleckträgerstoffes zu beschädigen. Ein ungünstig
plazierter Fleck kann eine ganze Hose ruinieren, einen grauenhaften Besucher
auf einem farb-aktiven Fußbodenbelag verewigen, einer Seele einen
Schlachtstempel aufdrücken. Wann habe ich begonnen, die oben genannten und mit
ihnen verknüpften Dinge in mir zu ordnen und zueinander in Beziehung zu setzen?
Der Georg von heute, der nach der Kindergartenzeit auf den Toiletten Mittel-
und Osteuropas vierzig Jahre lang falsch - das heißt im Stehen - gepinkelt hat,
weiß es leider nicht.
- Georg,
Georg, Georg! hallte es von überall. Dauernd ging es nur um Georg - trotzdem
ließ man den Armen oft nur wundzappeln.
Wie
unterschiedlich die Stellung eines fraulichen Beckens zu ihrem übrigen Körper -
zum Rücken, zu den Schultern und Schenkeln dieser oder der daneben stehenden
Frau sein kann! Wie unterschiedlich sich dadurch die Wölbung eines Hinterns
gestaltet! Und die Festigkeitsunterschiede der darin verborgenen Grundsubstanz!
In welchem Alter ich angefangen habe, meine wertvolle Zeit mit
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