Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
Kopf mit seinen Armen schützend, in die Hocke. Behutsam legte sie eine Hand auf seine zuckenden Schultern und wäre beinahe zusammengezuckt. Das arme Ding war ja nur Haut und Knochen. Kein Wunder, dass es die Kartoffeln hatte stehlen wollen. Jennas Gedärme verkrampften sich, als sie bemerkte, dass aus einer der Kartoffeln bereits ein Stück herausgebissen worden war. Welch einen Hunger musste das Kind haben, wenn es diese bereits roh hatte verspeisen wollen? Und warum behandelte man es derart schlecht?
In einer Ecke ihres Verstande regte sich bereits ein Verdacht – ein schrecklicher Verdacht, der sich auf grauenvolle Weise bestätigte, als das Kind ganz vorsichtig den Kopf hob und sie aus ängstlichen Augen ansah; Augen wie blaues Eis.
Jenna schluckte schwer. Es war ein kleines Mädchen, das sie da vor sich hatte, maximal fünf Jahre alt, mit dunklen Locken und einem hübschen Gesicht. Volle Lippen, hohe Wangenknochen. Sie kam ganz nach ihrem Vater – das war nicht zu bestreiten – einem Mann, den dieses Dorf glaubte, nicht mehr fürchten zu müssen. Und nun ließen sie all ihren Hass und ihre Aggressionen an diesem unschuldigen Kind aus. Die Großmutter musste gestorben sein und niemand hatte sich seiner angenommen. Es war verschmutzt, halb verhungert und voller Schrammen. Das Prügelkind des Dorfes.
Tränen traten in Jennas Augen und sie strich dem Mädchen ganz sanft über die Wange, wischte seine Tränen hinfort. „Alles wird wieder gut“, wisperte sie und öffnete die Arme. Sie wusste, dass das Kind ihre Worte nicht verstand, aber es verstand ihre Mimik und Gestik, spürte, dass endlich jemand gekommen war, um ihm zu helfen und warf sich mit einem Schluchzen in Jennas Arme, die sie sofort beschützend um seinen zarten Leib schloss. Hinter ihr war immer noch das aufgebrachte Keuchen der Wirtin zu vernehmen und Schritte; Schritte, die sich ihr rasch näherten.
„Wie könnt ihr es wagen, mein Weib zu misshandeln?!“ hörte sie den Wirt brüllen und sie spürte, dass hinter ihr irgendetwas in der Luft geschwungen wurde. Sie schloss die Augen und ließ ihren Zorn frei, ließ ihn in das Amulett fließen und dieses reagierte mit einem Energieschub, der es in sich hatte.
Der Wirt schrie vor Schmerzen auf und auch seine Frau stieß einen Laut aus, der Jenna verriet, dass auch sie einen Teil der Energie abbekommen hatte. Doch das war ihr gleich. Die Frau hatte das verdient. Sie alle würden noch lernen, was es hieß, den Zorn einer Hexe auf sich zu ziehen.
G l ü ck im U ngl ü ck
M anchmal war es am besten, sich möglichst still zu verhalten und einfach nur abzuwarten. Dies hatte Leon in den letzten Stunden auf schmerzhafte Weise gelernt. Einmal noch hatte er einen Fluchtversuch gestartet, der ihn genauso ins schmerzhafte K.O. befördert hatte wie der vorangegangene. Als er das letzte Mal vor ein oder zwei Stunden erwacht war, hatte er deswegen keinen Mucks von sich gegeben, sondern sich nur damit begnügt, den beiden Idioten, die ihn verschleppt hatten, zuzuhören und dabei so viele Informationen zu sammeln, wie es irgend möglich war.
Er hatte auch versucht, aus den Geräuschen um sich herum herauszuhören, wo er sich befand und wo ihn die beiden hin brachten, und war, als der fünfte Reiter grüßend an ihnen vorbeigezogen war, zu dem Schluss gekommen, dass sie sich auf ein größeres Dorf oder gar eine Stadt zubewegten. Das war eigentlich eine erfreuliche Erkenntnis, da so die Chancen entdeckt und gerettet zu werden, weitaus größer waren, und sie möglicherweise sogar auf ein paar Leute trafen, die den beiden Trotteln Vernunft einimpfen konnten. Das hoffte Leon zumindest.
Es wurde lauter um ihn herum. Menschen liefen oder ritten an ihnen vorbei, sich dabei unterhaltend, und Leon versuchte, sich ein wenig mehr zu entspannen. Sie würden mit Sicherheit bald irgendwo halten und dann hatte sein Leid vorerst ein Ende. Zumindest würde er endlich die stinkende Decke loswerden und seine lahm gewordenen Glieder bewegen können.
Nach ein paar qualvoll langsam verstreichenden Minuten drosselte der Wagen sein Tempo und hielt schließlich an. Das Klimpern eines Schlosses war zu vernehmen und dann das Knarren von Holz und Türscharnieren. Ein Tor wurde geöffnet. Der Wagen bewegte sich wieder und es wurde dunkler um Leon herum, dann hielt er wieder an.
„Da! Guck mal, wer da kommt!“ rief Wes erfreut. Der Karren wackelte, als Trottel Nummer eins vom Kutschbock sprang, gefolgt von Trottel Nummer zwei.
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