Falken: Roman (German Edition)
gegen das widrige Wetter. Die Dokumente reichen zurück bis zur ersten vom König ausgedrückten Unzufriedenheit seiner ersten Königin gegenüber: als wir, wie er zum Dekan sagt, alle noch jung waren. Sampson lacht, es ist ein klerikales Lachen, wie das Knarzen eines Ornatschrankes. »Ich kann mich kaum erinnern, jemals jung gewesen zu sein, aber ich nehme an, wir waren es einmal. Und einige von uns sorgenlos.«
Sie wollen eine Annullierung, wollen sehen, ob Henry befreit werden kann. »Wie ich höre, bricht Harry Percy bei der Erwähnung Ihres Namens in Tränen aus«, sagt Sampson.
»Sie übertreiben alle. Der Earl und ich, wir sind uns während der letzten Monate oftmals zuvorkommend begegnet.«
Wieder und wieder geht er durch die Unterlagen zur ersten Scheidung und findet überall am Rand Notizen des Kardinals: Änderungen, Vorschläge und verweisende Pfeile.
»Es sei denn«, sagt er, »Anne, die Königin, entschiede sich, in einen Orden einzutreten. Dann würde sich die Ehe selbst aufheben.«
»Ich bin sicher, sie wäre eine hervorragende Äbtissin«, sagt Sampson höflich. »Haben Sie den Mylord Erzbischof dazu schon befragt?«
Cranmer ist nicht anwesend. Er, Cromwell, hat das Gespräch mit ihm hinausgeschoben. »Ich muss ihm darlegen«, erklärt er dem Dekan, »dass es mit unserer Sache – das heißt, der Sache der englischen Bibel – ohne die Königin besser vorangeht. Wir wollen, dass das lebendige Wort Gottes wie Musik im Ohr des Königs klingt, nicht wie Annes undankbares Gejammer.«
Er sagt »wir« und schließt den Dekan aus Höflichkeit mit ein. Wobei er nicht völlig sicher ist, ob Sampson der Reform in seinem Herzen zugeneigt ist, doch es geht ihm um den äußeren Zusammenhalt, und der Dekan ist immer kooperativ.
»Dieser kleine Hinweis auf Hexerei …« Sampson räuspert sich. »Der König will doch nicht, dass wir den ernsthaft verfolgen? Wenn bewiesen werden könnte, dass er mit unnatürlichen Mitteln in die Ehe gezogen wurde, wäre seine Zustimmung gewiss nicht aus freiem Willen erfolgt und der Vertrag ohne Wirkung. Aber er hat sich bei seiner Rede davon, verlockt, verzaubert worden zu sein, doch sicher im übertragenen Sinn ausgedrückt? Wie ein Dichter von Feenzauber, den Listen und Verlockungen einer Schönen sprechen mag …? Oh, bei allen Heiligen«, sagt der Dekan milde, »sehen Sie mich nicht so an, Thomas Cromwell. In derlei Geschichten würde ich mich lieber nicht verstricken. Dann schon lieber Harry Percy, und wir bringen ihn gemeinsam zur Vernunft. Oder sogar die Sache mit Mary Boleyn, obwohl ich, wie ich sagen muss, gehofft hatte, den Namen nie wieder zu hören.«
Er zuckt mit den Schultern. Manchmal denkt er an Mary und daran, wie es gewesen wäre, wenn er ihren Avancen nachgegeben hätte. An jenem Abend in Calais war er ihr so nahe gewesen, dass er ihren Atem schmecken konnte, Zuckerwerk und Gewürze, Wein … aber natürlich hätte Mary an jenem Abend in Calais jeder Mann mit funktionierender Ausrüstung genügt. Sanft unterbricht der Dekan seinen Gedankengang: »Darf ich einen Vorschlag machen? Gehen Sie und reden Sie mit dem Vater der Königin. Reden Sie mit Wiltshire. Er ist ein vernünftiger Mann, vor ein paar Jahren waren wir gemeinsam auf einer Mission in Bilbao. Ich habe ihn immer zugänglich erlebt. Bringen Sie ihn dazu, dass er seine Tochter bittet, von sich aus zu gehen und uns damit zwanzig Jahre Gram zu ersparen.«
Zum »Monseigneur« also: Er lässt Wriothesley ein Protokoll der Besprechung anfertigen. Annes Vater bringt seine eigenen Unterlagen mit, Bruder George nur sich selbst. Er bietet immer einen besonderen Anblick: George mag seine Kleider mit Borten und Quasten, getüpfelt, gestreift und geschlitzt. Heute trägt er weißen Samt über roter Seide, und aus allen Öffnungen quillt Scharlachrot. Er muss an ein Bild denken, das er einst in Holland gesehen hat, das Bild eines Heiligen, dem bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wurde. Weichen Stiefeln gleich, hing sie säuberlich auf die Füße herab, und auf dem Gesicht des Geschundenen lag der Ausdruck ungerührter Gelassenheit.
Er legt seine Papiere auf den Tisch. »Ich will keine langen Worte machen. Sie kennen die Situation. Dem König sind Dinge zur Kenntnis gebracht worden, die, hätte er von ihnen gewusst, seine vorgebliche Heirat mit Lady Anne verhindert hätten.«
George sagt: »Ich habe mit dem Earl of Northumberland gesprochen. Er steht zu seinem Eid. Es gab keinen Vorvertrag.«
»Das ist
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