Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
Erfolg seiner Unternehmung und schreibt Lieder für Jane.
    »Geben Sie ihm einen oder zwei Tage, Sir. Ich rede noch einmal mit ihm allein, ohne seinen Vater. Ich denke, in Lord Wiltshires Gegenwart verspürt er das Bedürfnis, sich aufzuplustern und zu posieren.«
    »Ja, ich täusche mich nicht oft«, sagt Henry. »Eitelkeit, mehr ist es nicht. Und jetzt hören Sie zu.« Er singt:
    »Das Tausendschön ergötzlich,
    Das Veilchen blass und blau.
    Ich bin nicht unbeständig …«
    »Sie merken, es ist ein altes Lied, das ich umzuschreiben versuche. Was reimt sich auf ›blau‹? Abgesehen von ›schau‹?«
    Was brauchst du sonst noch?, denkt er. Er entschuldigt sich. Die Galerien werden von Fackeln erleuchtet, Gestalten verschwinden im Dunkeln. Die Atmosphäre hier bei Hofe an diesem Freitagabend im April erinnert ihn an die öffentlichen Badehäuser in Rom. Die Luft ist schwer, und die schwimmenden Gestalten von Männern gleiten an dir vorbei. Vielleicht sind es Männer, die du kennst, aber du kennst sie nicht ohne ihre Kleider. Deine Haut ist heiß, dann kalt, dann wieder heiß. Die Kacheln unter deinen Füßen sind glitschig. Links und rechts von dir stehen Türen offen, nur ein paar Zentimeter und außerhalb deines Sichtfelds, aber ganz in deiner Nähe spielen sich Perversitäten ab, unnatürliche Verbindungen von Körpern, von Frauen und Männern, und Männern und Männern. Dir ist übel von der stickigen Hitze und deinem Wissen um die menschliche Natur, und du fragst dich, warum du hergekommen bist. Aber man hat dir gesagt, ein Mann müsse mindestens einmal in seinem Leben in einem Badehaus gewesen sein, oder er könne nicht glauben, was darin vorgehe, wenn es ihm die Leute erzählen.
    »Die Wahrheit ist«, sagt Mary Shelton, »dass ich auch versucht hätte, Sie zu sprechen, Master Sekretär, wenn Sie nicht nach mir geschickt hätten.« Ihre Hand zittert, sie nimmt einen Schluck Wein, sieht tief in ihren Becher, als wollte sie die Zukunft voraussagen, und hebt dann ihre beredten Augen. »Ich bete darum, nie wieder einen Tag wie diesen zu erleben. Nan Cobham will zu Ihnen. Marjorie Horsman. Sämtliche Hofdamen.«
    »Haben Sie mir etwas zu sagen? Oder wollen Sie mir nur auf die Papiere heulen und die Tinte zerfließen lassen?«
    Sie stellt den Becher ab und gibt ihm ihre Hände. Die Geste bewegt ihn. Es ist, als zeigte ihm ein Kind, dass es saubere Finger hat. »Sollen wir versuchen, es zu enträtseln?«, fragt er sanft.
    Den ganzen Tag über schallen aus den Gemächern der Königin Rufe, Türenknallen, Gerenne. Gezischte, halblaute Gespräche. »Ich wünschte, ich wäre nicht mehr bei Hofe«, sagt Shelton. »Ich wünschte, ich wäre anderswo.« Sie zieht ihre Hände zurück. »Ich sollte verheiratet sein. Ist das zu viel verlangt, zu heiraten und Kinder zu bekommen, solange ich noch jung bin?«
    »Jetzt bemitleiden Sie sich nicht selbst. Ich dachte, Sie würden Harry Norris heiraten?«
    »Das dachte ich auch.«
    »Ich weiß, dass es zwischen Ihnen ein leichtes Zerwürfnis gegeben hat, doch ist das nicht schon ein Jahr her?«
    »Das wird Lady Rochford Ihnen erzählt haben. Sie sollten nicht auf sie hören, wissen Sie, sie erfindet Dinge. Aber ja, es stimmt, ich hatte Streit mit Harry oder er mit mir, und es ging um den jungen Weston, der zu den unmöglichsten Zeiten in die Gemächer der Königin kam. Harry dachte, er komme wegen mir. Das dachte ich auch. Dabei habe ich Weston nicht ermutigt, das schwöre ich.«
    Er lacht. »Aber, Mary, natürlich ermutigen Sie die Männer. Das ist nun einmal so, Sie können nichts daran ändern.«
    »Also sagte Harry Norris: Ich gebe dem Welpen einen Tritt in die Rippen, den er nicht vergessen wird. Obwohl Harry nicht die Art Mann ist, die herumläuft und nach kleinen Hunden tritt. Und meine Cousine, die Königin, sagte: Keine Tritte in meinen Gemächern, wenn ich bitten darf. Harry antwortete darauf: Mit Ihrer königlichen Erlaubnis werde ich ihn hinunter in den Hof bringen und dort treten, und …«, sie muss lachen, sie kann nicht anders, so jämmerlich sie auch zittert, »und Francis stand die ganze Zeit dabei, obwohl sie redeten, als wäre er nicht da. Dann sagte Francis: Nun, das würde ich gern sehen, wie Sie mich treten, denn in Ihrem Alter, Norris, fallen Sie eher über die eigenen Beine …«
    »Mistress«, sagt er, »könnten Sie sich etwas kürzer fassen?«
    »Die beiden machten noch eine Stunde oder länger so weiter, schmeichelten, buhlten und kämpften um ihre

Weitere Kostenlose Bücher