Falken: Roman (German Edition)
wird gedemütigt werden. Sie ist kein Löwe. Sie ist kaum mehr als eine Ihrer auf den Dächern jaulenden Londoner Katzen.«
Er muss an den schwarzen Kater denken, den sie früher hatten. Marlinspike. Nach Jahren des Kämpfens und Plünderns ist er davongelaufen, wie es Kater nun einmal tun, um anderswo Karriere zu machen. Chapuys sagt: »Wie Sie wissen, sind eine Reihe Ladies und Gentlemen vom Hof hinauf zu Prinzessin Mary geritten, um sie ihrer Dienste während der bevorstehenden Tage zu versichern. Ich dachte, auch Sie wollten vielleicht hin.«
Verdammt, denkt er, ich habe auch so genug zu tun, mehr als genug. Es ist kein kleines Unterfangen, eine Königin von England zu Fall zu bringen. Er sagt: »Ich vertraue darauf, dass die Prinzessin mir mein Ausbleiben dieses Mal vergibt. Es ist zu ihrem Besten.«
»Sie haben keine Schwierigkeiten mehr damit, sie ›die Prinzessin‹ zu nennen«, beobachtet Chapuys. »Natürlich wird sie als Henrys Erbin wiedereingesetzt.« Er macht eine Pause. »Sie erwartet, all ihre treuen Unterstützer erwarten, der Kaiser selbst erwartet …«
»Hoffnung ist eine große Tugend. Aber ich hoffe«, fügt er hinzu, »Sie werden sie warnen, niemanden ohne Erlaubnis des Königs zu empfangen. Oder ohne meine Erlaubnis.«
»Sie kann die Leute nicht davon abhalten, zu ihr zu kommen. Ihr ganzes altes Gefolge. Sie strömen zusammen. Es wird eine neue Welt, Thomas.«
»Der König wird erpicht sein, ist erpicht, sich mit ihr zu versöhnen. Er ist ein guter Vater.«
»Wie schade, dass er nicht mehr Gelegenheit hat, es zu zeigen.«
»Eustace …« Er hält inne und winkt Christophe weg. »Ich weiß, Sie haben nie geheiratet, aber haben Sie auch keine Kinder? Tun Sie nicht so verblüfft. Ich interessiere mich für Ihr Leben. Wir müssen einander besser kennenlernen.«
Der Botschafter wehrt sich gegen den Themenwechsel. »Ich lasse mich nicht so mit Frauen ein. Nicht so wie Sie.«
»Ich würde kein Kind abweisen. Niemand hat je einen Anspruch gegen mich geltend gemacht, aber wenn es jemand täte, würde ich ihm entsprechen.«
»Die Ladies wollen nur die Bekanntschaft nicht verlängern«, sagt Chapuys.
Das bringt ihn zum Lachen. »Da mögen Sie recht haben. Kommen Sie, mein guter Freund, lassen Sie uns etwas essen.«
»Ich freue mich schon auf viele solche Abende«, sagt der Botschafter und strahlt. »Wenn die Konkubine tot ist und England erleichtert.«
Die Männer im Tower, so sehr sie ihr wahrscheinliches Schicksal beklagen, tun es nicht so bitterlich wie der König. Bei Tag wandert er herum wie eine Illustration aus dem Buch Hiob. Bei Nacht fährt er, begleitet von Musikern, den Fluss hinunter, um Jane zu besuchen.
So schön Nicholas Carews Haus auch sein mag, es liegt acht Meilen von der Themse entfernt, was nicht unbedingt günstig ist für einen abendlichen Abstecher, selbst in diesen hellen Frühsommernächten nicht. Der König möchte bei Jane bleiben, bis die Dunkelheit anbricht. Also hat die zukünftige Königin nach London zu kommen, wo sie bei Unterstützern und Freunden unterschlüpft. Menschenmengen bewegen sich, Gerüchten folgend, von einem möglichen Ort zum anderen und versuchen einen Blick auf sie zu erhaschen, recken die Hälse und kneifen die Augen zusammen, die Neugierigen blockieren Tore und hieven sich gegenseitig auf Mauern.
Janes Brüder überziehen die Londoner mit Großzügigkeit und hoffen so, ihre Stimmen für sie zu gewinnen. Es wird betont, dass sie eine englische Lady ist, eine von uns, im Gegensatz zu Anne Boleyn, die viele für eine Französin halten. Die Leute sind verwirrt, sogar gehässig: Sollte der König nicht eine bedeutende Prinzessin heiraten, wie Katherine, aus einem fernen Land?
Bess Seymour erzählt ihm: »Jane hortet Geld, in einer verschlossenen Truhe, für den Fall, dass der König seine Meinung ändert.«
»Das sollten wir alle. Eine verschlossene Truhe ist eine gute Sache.«
»Den Schlüssel bewahrt sie in ihrem Mieder auf«, sagt Bess.
»Da wird ihn niemand finden.«
Bess schenkt ihm einen neckischen Blick aus dem Augenwinkel.
Mittlerweile macht die Kunde von Annes Verhaftung in Europa die Runde, und Stunde für Stunde, was Bess nicht weiß, erreichen Henry neue Angebote. Der Kaiser meint, der König könne seine Nichte mögen, die Infanta von Portugal, die vierhunderttausend Dukaten mitbringen würde, und der portugiesische Prinz Dom Luís könne Prinzessin Mary heiraten. Und wenn der König die Infanta nicht will, was würde
Weitere Kostenlose Bücher