Falken: Roman (German Edition)
er dann zur verwitweten Herzogin von Mailand sagen, einer sehr hübschen jungen Frau, die ebenfalls ein gutes Sümmchen einbrächte?
Es sind Tage voller Omen und Menetekel für alle, die solche Dinge wertschätzen und zu lesen verstehen. Die bösen Geschichten kommen aus den Büchern und inszenieren sich selbst. Eine Königin sitzt eingesperrt in einem Turm und wird des Inzests angeklagt. Das Gemeinwohl, die Natur selbst ist gestört. Geister werden in Durchgängen gesehen, stehen an Fenstern, drücken sich gegen Wände und lauschen auf die Geheimnisse der Lebenden. Eine Glocke beginnt von selbst zu läuten, unberührt von menschlicher Hand. Ein lauter Disput bricht aus, wo niemand ist, ein Zischen durchschneidet die Luft, als würde ein glühend heißes Eisen in kaltes Wasser getaucht. Einfache Bürger lassen sich in der Kirche zu lauten Ausrufen hinreißen. Eine Frau drängt sich durch die Menge vor seinem Tor und greift nach dem Zügel seines Pferdes. Bevor die Wachen sie vertreiben können, ruft sie ihm zu: »Gott helfe uns, Cromwell, was für ein Mensch ist dieser König! Wie viele Frauen will er noch haben?«
Ausnahmsweise einmal hat Jane Seymour etwas Farbe in den Wangen, aber vielleicht ist es auch nur der Widerschein ihres Kleides, das weiche, klare Rosé von Quittengelee.
Aussagen, Anklagen, Erlasse machen die Runde und werden unter Richtern, Anklägern, dem Kronanwalt und dem Büro des Lordkanzlers verteilt. Jeder Schritt ist klar und logisch und dient dazu, durch den gebührenden rechtlichen Prozess Leichen hervorzubringen. Gegen George Rochford als Angehörigen des Hochadels wird gesondert verhandelt werden, die gemeinen Bürger kommen zuerst an die Reihe. Der Befehl ergeht an den Tower: »Bringt die Leichen.« Bringt, heißt das, die angeklagten Männer, namentlich Weston, Brereton, Smeaton und Norris zum Prozess nach Westminster Hall. Kingston holt sie mit einem Boot, es ist der zwölfte Mai, ein Freitag. Bewaffnete Wachen führen die Angeklagten durch eine brodelnde Menge, aus der Schreie mit den Wettquoten schallen. Die Spieler glauben, dass Weston freikommt, was den Anstrengungen seiner Familie zu verdanken ist. Bei den anderen sind die Voraussagen ausgeglichen, ob sie leben oder sterben werden. Für Mark Smeaton, der alles gestanden hat, werden keine Wetten angenommen, nur darauf, ob er gehängt, geköpft, gekocht oder verbrannt wird, oder ob sie ihn einer neuen Strafart unterwerfen werden, die sich der König ausgedacht hat.
Sie verstehen das Gesetz nicht, sagt er zu Riche, während er aus einem Fenster auf die Szene hinunterblickt. Für Hochverrat gibt es nur eine Strafe: Männer werden gehängt, lebend abgeschnitten und ausgeweidet, Frauen verbrannt. Der König kann das Urteil zu einer Enthauptung abwandeln, nur Giftmörder werden lebend gekocht. Das Gericht kann in diesem Fall nur das eine Urteil fällen, und es wird aus dem Gerichtssaal an die Menge weitergegeben und missverstanden werden, sodass die, die gewonnen haben, mit den Zähnen knirschen und die Verlierer ihr Geld verlangen. Es wird Auseinandersetzungen und zerrissene Kleider geben, eingeschlagene Köpfe und Blut auf der Erde, während die Angeklagten sicher im Gerichtssaal sitzen, immer noch Tage vom Tod entfernt.
Sie werden die Anklagen erst vor Gericht hören und, wie es bei Hochverratsprozessen üblich ist, keinen gesetzlichen Beistand haben. Aber sie bekommen die Möglichkeit, Stellung zu nehmen und sich zu verteidigen. Sie dürfen Zeugen aufrufen – wenn denn jemand bereit ist, für sie auszusagen. Seit Jahren werden Männer wegen Hochverrats angeklagt, ohne dass man sie einsperren würde, wobei sie wissen, dass sie nicht fliehen können, müssen sie doch an ihre Familien denken, die sie hinter sich lassen würden. Sie wollen, dass der König gut zu ihnen ist, und das allein schon sollte jeden Protest verstummen lassen und lautstarken Unschuldsbezeugungen vorbeugen. Das Gericht muss ungehindert arbeiten können. Im Gegenzug für diese Kooperation gilt es als gewährleistet, mehr oder weniger gewährleistet, dass der König ihnen die Gnade des Todes durch die Axt gewährt, der ihre Schande nicht noch vergrößert. Allerdings munkelt man unter den Geschworenen, dass Smeaton hängen wird, weil er als Mann niederer Geburt keine Ehre zu verlieren hat.
Norfolk sitzt dem Gericht vor. Als die Gefangenen hereingebracht werden, versuchen sich die drei Gentlemen von Mark abzusetzen. Sie wollen ihm ihre Verachtung zeigen und dass sie
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