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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Calais, von Lord Lisle. Schon der Gedanke daran erschöpft ihn. Lisle erzählt darin seinen gesamten Weihnachtstag, angefangen mit dem ersten Aufwachen in der eisigen Morgendämmerung. Irgendwann während der Festtage wurde Lord Lisle beleidigt: Der Bürgermeister von Calais hat ihn warten lassen. Also hat Lisle seinerseits den Bürgermeister warten lassen … und jetzt schreiben beide Seiten an ihn: Wer ist wichtiger, Master Sekretär, der Gouverneur oder der Bürgermeister? Sagen Sie, ich bin es! Sagen Sie, ich bin es!
    Arthur Lord Lisle ist der angenehmste Mensch der Welt, es sei denn, der Bürgermeister kommt ihm in die Quere. Aber Lisle schuldet dem König Geld und hat seit sieben Jahren nicht einen Penny gezahlt. Vielleicht sollte er deswegen etwas unternehmen. Der Schatzmeister des Königs hat ihn darüber informiert. Und was das betrifft … Harry Norris ist kraft seiner Stellung im direkten Haushalt des Königs, kraft einer Gewohnheit, deren Herkunft und Nutzen er, Cromwell, nie begriffen hat, für die geheimen Mittel zuständig, die der König für eine mögliche Notlage in seinen wichtigen Häusern untergebracht hat. Es ist nicht klar, wie diese Mittel verfügbar gemacht werden können, woher sie kommen, wie viel Bargeld sie umfassen und wer Zugang zu ihnen hat, sollte Norris … sollte Norris gerade nicht da sein, wenn sie benötigt würden. Sollte Norris etwas zustoßen. Wieder legt er die Feder zur Seite. Er beginnt sich Unfälle vorzustellen. Er legt den Kopf in die Hände, die Finger auf die müden Augen. Er sieht Norris vom Pferd fallen. Sieht ihn im Morast landen. Sagt sich: »Geh zurück an deinen Abakus, Cromwell.«
    Seine ersten Neujahrsgeschenke sind bereits eingetroffen. Ein Unterstützer aus Irland hat ihm einen Ballen weiße irische Decken geschickt und dazu eine Flasche Aqua vitae. Wie gerne würde er sich in die Decken rollen, die Flasche austrinken, sich zu Boden sinken lassen und einschlafen.
    Irland ist an diesem Weihnachtsfest friedlich, friedlicher als seit vierzig Jahren. Was er hauptsächlich dadurch erreicht hat, dass er Leute hat aufhängen lassen. Nicht viele: nur die richtigen. Das ist eine Kunst, eine notwendige Kunst. Die irischen Führer haben den Kaiser angefleht, ihr Land als Basis für seinen Einmarsch nach England zu nutzen.
    Er holt Luft. Lisle, Bürgermeister, Beleidigungen, Lisle. Calais, Dublin, geheime Mittel. Er will, dass Chapuys rechtzeitig nach Kimbolton kommt. Aber er will nicht, dass Katherine sich erholt. Du solltest dir, das weiß er, nicht den Tod eines menschlichen Wesens wünschen. Der Tod ist unser Fürst, und du bist nicht sein Meister. Wenn du denkst, er hat anderswo zu tun, rüttelt er an deiner Türe, kommt herein und wischt sich die Stiefel an dir ab.
    Er sieht seine Papiere durch. Immer noch mehr Berichte über Mönche, die bis spät im Wirtshaus hocken und erst bei Tagesanbruch ins Kloster gewankt kommen, Äbte, die mit Huren unter Hecken gefunden wurden. Immer noch mehr Bittgesuche und Geschichten über pflichtvergessene Geistliche, die keine Kinder taufen oder Tote begraben wollen. Er wischt sie zur Seite. Genug. Ein Fremder schreibt ihm – ein alter Mann, seiner Handschrift nach zu urteilen –, dass die Bekehrung der Mohammedaner kurz bevorsteht. Aber was für eine Kirche können wir ihnen bieten? Wenn es nicht bald zu einem grundlegenden Wandel kommt, schreibt der Mann, landen die Heiden in einer noch größeren Finsternis als zuvor. Sie sind der Generalvikar, Master Cromwell, Sie sind der Vizeregent: Was wollen Sie unternehmen?
    Er fragt sich: Spannt der Türke seine Leute so ein, wie Henry mich einspannt? Wäre ich als Ungläubiger geboren worden, hätte ich Pirat werden können. Das Mittelmeer hätte ich befahren können.
    Als er das nächste Blatt in die Hand nimmt, muss er fast lachen. Es geht um eine große Landzuteilung, vom König an Charles Brandon. Weideland und Wald, Stechginster und Heide, und darauf verteilt stehen Gutshöfe: Harry Percy, der Earl of Northumberland, hat der Krone sein Land überschrieben, um einen Teil seiner massiven Schulden zu bezahlen. Harry Percy, denkt er: Ich habe ihm gesagt, ich bringe ihn dafür zu Fall, dass er Wolsey vernichtet hat, und bei Gott, ich bin noch nicht mal in Schweiß geraten, er vernichtet sich mit seiner Art selbst. Bleibt nur, ihm seinen Adelstitel zu nehmen, wie ich es geschworen habe.
    Die Tür öffnet sich, vorsichtig: Es ist Rafe Sadler. Er hebt überrascht den Blick. »Du solltest

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