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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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kam er vom Weg ab, und einmal erreichte er nach dreistündiger Irrfahrt einen Punkt, an dem er schon gewesen war.
    Auch das Wetter schien alles zu unternehmen, um ihn zum Aufgeben zu zwingen. Heftige Regenschauer gingen in halbstündigen Abständen auf die offene Kutsche nieder, die Hufe der Pferde schlitterten ebenso hilflos über den aufgeweichten Untergrund wie die Räder des Wagens. Zum Glück hatte man ihm gute, geduldige Tiere gegeben, denen es im Blut zu liegen schien, ihren Passagier unter Einsatz ihres Lebens ans Ziel zu bringen.
    Am meisten setzte ihm der Nebel zu.
    Verstohlen wie lauernde Bestien schoben sich zähe Nebelschwaden dicht über dem Boden dahin, und manche von ihnen waren so weiß und undurchsichtig wie riesige Laken. Was sich hinter ihnen verbarg – ob Berg oder Abgrund –, wurde vollkommen unsichtbar. Sir Darren hatte bald begriffen, dass es nur der Instinkt der Pferde war, der ihn vor Abstürzen in tief eingeschnittene Flussbetten verschonte. Manchmal wollten sie nicht, wie er wollte, und dann ließ er sie ihre Route selbst suchen, wohl wissend, dass sie weit mehr von den Gefahren dieses Landstrichs wussten als er selbst.
    Nebel verhüllte dann auch Loch Gacht. Das Geräusch des Wassers war dumpf durch die Schleier zu hören, doch die Augen sahen nichts als eine perfekte grauweiße Wand, eingeklemmt zwischen steile Felshänge, an denen knorrige Bäume ihre Äste ins trübe Nichts streckten. Ein übergroßer, monströser Wegweiser, der noch aus dem Mittelalter stammen mochte, verriet ihm, dass er sein Ziel erreicht hatte. Selbst die Pferde schienen zu spüren, dass der Mann auf dem Kutschbock diesen Ort und keinen anderen auf der Welt im Sinn gehabt haben konnte, während er ihnen Strapaze um Strapaze aufbürdete.
    Sir Darren stieg ab und ging einige Schritte, bis er direkt am Ufer stand. Den See umgab eine Aura von Reinheit. Klar schimmerte das Wasser dort, wo der Nebel einen Blick darauf erlaubte. Drei Yards vor ihm endete die Welt in einem bleichen Nirvana, und der Zeitreisende aus dem 21. Jahrhundert war versucht, diesem alles verschluckenden, alles reinwaschenden Nebel den Namen ‚Weißer Riese’ zu verleihen.
    Er schüttelte schmunzelnd den Kopf. Jede Minute, die er hier verbrachte, schien den Schmutz des Ushtington Pool von seinem Leib zu spülen. Es waren erfrischende Momente, als hätte man einen magischen Quell erreicht, aus dem alle Feuchtigkeit dieser Welt frisch und ungetrübt empor sprudelte. Die Pferde schnaubten wohlig in der weißen Suppe hinter ihm.
    Sir Darren rastete am Ufer, nahm etwas kalten Braten mit Brot zu sich. Obwohl der See ihn dazu einzuladen schien, von seinem Wasser zu kosten, verließ er sich auf jenes, das er in Flaschen mitgebracht hatte. Noch wusste er nichts über Loch Gacht.
    Gewöhnlich begann er den Kontakt mit dem Jenseits geplant und über eines von mehreren Ritualen, bei denen er Kerzen, Pendel oder andere Utensilien benutzte. Er brachte sich in eine meditative Stimmung, in der es ihm gelang, die normalerweise unüberwindlichen Barrieren zwischen den beiden Welten zu perforieren, Rufe auszusenden, Antworten zu empfangen. Bisweilen geschah es wie von selbst, ohne dass er eine bewusste Anstrengung unternahm. In diesen Fällen war es sein Unterbewusstsein, das den Kontakt herstellte, weil die Atmosphäre des Ortes es nicht nur erlaubte, sondern wollte .
    Dieser Ort wollte es. Der Nebel mochte natürlichen oder übernatürlichen Ursprung sein – er verschleierte eine dünne Stelle zwischen den Dimensionen, so dünn, dass man vielleicht direkt ins Jenseits hätte hineinsehen können, wäre er nicht gewesen.
    Während der Dozent aß, nahm ein Kribbeln von seinem Körper Besitz. Seine Glieder wurden taub, so dass er unwillkürlich aufstand und sich die Füße vertrat. Hinter dem Nebel schien sich etwas zu regen, fernes Gebrüll wie von Kriegern und das Klirren von Schwertern war zu hören. Wie viele Lokalitäten in Schottland hatte wohl auch dieser Ort eine blutige Vergangenheit. Sir Darren bezweifelte aber, dass diese etwas mit seinem Fall zu tun hatte. Die Seelen der hier zu Tode gekommenen Menschen machten sich bemerkbar, doch ihnen fehlte die Kraft, sich ihm zu zeigen oder ihn gar zu attackieren. Fasziniert blickte er auf den unsichtbaren See hinaus, und einmal duckte er sich, weil er den Eindruck hatte, dass rechts von seinem Kopf ein Wurfbeil vorübersirrte.
    „Jemand ruft mich“, sprach er leise. „Er gehört nicht ins Schlachtengetümmel.

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