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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Kontrolle über seine Pulsfrequenz. Im kalten Wasser brach ihm der Schweiß aus, und es wurde ihm heißer und heißer, je tiefer er sank. Hunderte anderer Empfindungen stellten sich gleichzeitig ein – seine Zähne schienen sich gegeneinander zu verschieben und dabei stumpf und pelzig zu werden, in seinen Gelenken ruckte es, seine Muskeln übersäuerten, und in seinen Innereien wühlten ganze Horden von fremdartigen Gefühlen und Schmerzen. Es war, als mache sein Körper eine Metamorphose durch.
    So ähnlich muss sich jemand fühlen, der sich in einen Werwolf verwandelt , schoss es ihm durch den Kopf. Dass er nicht an Werwölfe glaubte, nie einem begegnet war, spielte keine Rolle. Es war nur ein Vergleich, aber ein passender.
    Und dann hatte er den Schatten erreicht. Er tanzte wie ein zuckendes Irrlicht um ihn herum, kollidierte mit ihm … wobei es keine Kollisionen mit etwas Körperlichem waren. Statt Berührungen gab es Überlappungen , zwei Existenzen nahmen denselben Raum ein, beeinflussten sich dabei, aber stießen sich nicht ab. Einmal stieß der Schatten fast in vollem Umfang durch ihn hindurch, in mehreren, ruckenden Stationen. Es presste Carnacki die Luft aus den Lungen, als das geschah, und in seine Verzauberung mischte sich Panik.
    Er erfuhr das größte Mysterium seines Lebens. Doch wenn er nicht in den nächsten Sekunden an Sauerstoff kam, würde er nie mehr darüber nachdenken, forschen oder berichten können.

3
    Als Carnacki ins Wasser sprang, reagierte Trent Holburn. Sein feiges Verhalten bei seinem Rendezvous mit Lauren Draper lastete auf ihm und war der Hauptgrund, warum er der Bitte des Geisterdetektivs gefolgt war und nun an dieser Aktion teilnahm. Irgendwie wollte er seine Verfehlung wiedergutmachen, wollte die Scham von seiner Seele wischen.
    Jetzt war die Gelegenheit dazu!
    Im Gegensatz zu Carnacki sprang er nicht ins Innere des Pentakels, sondern ließ sich vorsichtig auf der äußeren, dunklen Seite ins Wasser. Da er nicht schwimmen konnte, hatte er sich mehrfach von der Stabilität seiner Korkweste überzeugt. Obwohl er sah, dass der Geisterfinder unterging, war sein Ziel nicht Carnacki. Er ahnte, dass er ihn nicht retten konnte, solange dieser Apparat in Betrieb war. Allerdings scheute er davor zurück, die Röhren zu zerschmettern. Wenn er nur Carnackis Boot erreichte, konnte er den Strom auf ganz unspektakuläre Weise abstellen.
    Dazu musste er ein hübsches Stück Weg zurücklegen, an dem Boot einer der beiden Frauen vorbei. Die Frau starrte mit riesigen Augen und schneeweißem Gesicht hinter ihrer Laterne hervor. Holburn ignorierte sie. Carnackis Kahn brannte noch immer nicht und würde auch niemals richtig brennen, denn das Holz war nass, und das Petroleum entflammte nur an der Oberfläche. Deshalb machte es auch keinen Sinn, darauf zu warten, bis der Brand die elektrische Anlage zerstörte. Das würde vermutlich nicht passieren.
    Ungeschickt bewegte sich der Nichtschwimmer durch das Wasser. Ewigkeiten schienen zu vergehen, ehe er an dem herrenlosem Boot anlangte. Die Frauen schrien etwas, doch er achtete nicht darauf. Was im Inneren des Lichtkegels geschah, durfte ihn nicht interessieren. Er verstand nichts von der Sache, und seine Interpretation der Dinge war, dass das übernatürliche Licht etwas Furchtbares angelockt hatte, das verschwinden würde, wenn man das Licht abschaltete.
    Prustend zog er sich ins Boot, darauf bedacht, sich nicht die Hände zu versengen. Das Feuer war am Ersterben und stank fürchterlich. Eine dichte Rauchwolke hatte sich über dem Kahn gebildet, die nur langsam abzog. Holburns suchende Blicke galten der Schalttafel. Sie war schwer zu erkennen im blauen Gegenlicht, der Mann tastete blind über die Regler und erwischte schließlich einen Hebel, das er für den Hauptschalter hielt.
    Er hatte recht.
    Kaum hatte er den Hebel umgelegt, erlosch das Licht mit einem Zischen. Dunkelheit senkte sich schlagartig über den See, denn der Schein der kleinen Laternen war nichts im Vergleich zu der Helligkeit des unnatürlichen Lichts. Eine Sekunde später brach die Wassersäule zusammen. Eine gewaltige Welle schwappte auf die Boote zu, die Menschen schrien und hielten sich an den Rändern ihrer Kähne fest. Trent Holburn bildete keine Ausnahme.
    Wiederum einige Sekunden später – das Wasser hatte sich etwas beruhigt – bewegte sich etwas im Mittelpunkt des jetzt dunklen Pentakels. Ein menschlicher Körper kam an die Oberfläche. Carnacki. Doch der Mann schwamm

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