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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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bekommen, und sie ergriffen die Chance, ehe sich das wieder ändern konnte. Sie stolperten hinaus in den Korridor, begegneten Herrn Hotten und zwei jüngeren Leuten, gaben irgendeine Auskunft, jagten die Treppe hinunter und aus dem Haus. Sie brauchten den halben Nachmittag, um ihre beiden Autos zu starten, und dann kollidierten sie beinahe miteinander, weil sie sich nicht einig werden konnten, wer vornewegfuhr. Den letzten bissen immer die Hunde.
    Schließlich hatte sich Clemens die Führungsposition erkämpft. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, als wollten sie damit verwachsen. Wenn er in den Rückspiegel sah und Constanzes Gesicht als kleinen, verwaschenen Fleck hinter der Windschutzscheibe sah, schien es ihm, als trage sie einen H-förmigen Knebel im Mund, und ihr Kopf würde von einer Schraubwinde in Form eines umgekehrten U‘s zusammengedrückt.

3
    „Kann mir eigentlich mal jemand erklären, was hier los ist?“, fragte Melanie. Neben ihr standen Werner und Isabel.
    Auch Harald kam jetzt aus seinem Zimmer. „Sagt mal“, meinte er, „da hat doch gerade eine Frau gebrüllt, als würde man ihr die Lippenstift-Sammlung wegnehmen. Stört da irgendetwas die lauschige Idylle unseres düsteren kleinen Geisterschlosses?“
    „Ein Spuk offenbar“, erwiderte Werner. „In Sir Darrens Zimmer.“
    Isabel kräuselte die Augenbrauen. Sie war heute nicht ganz so blass geschminkt wie sonst. Seit Sanjays Tod hatte kein Unterricht mehr stattgefunden, und bei allen hielt der große Schlendrian Einzug. „Wer waren die beiden?“
    „Sie … waren in Sir Darrens Zimmer. Ihr wisst schon.“ Es war Werner peinlich, über die anstehende Vermietung zu sprechen. Natürlich hatte er die Studenten informiert, ehe er eine Annonce ins Lokalblatt gesetzt hatte.
    Melanie ging zur Tür des besagten Raumes und spähte hinein. „Und die beiden wollen wirklich einen Geist gesehen haben?“ Sie blickte die anderen skeptisch an, einen nach dem anderen. „Doch nicht etwa Sir Darren, oder?“
    „Das würde bedeuten, er ist tot“, sprach Harald überflüssigerweise aus, was alle in diesem Moment ohnehin dachten.
    Werner schüttelte den Kopf und warf ebenfalls einen Blick in Sir Darrens Zimmer. „Nein, sie haben etwas von einer jungen Frau gesagt. Unbekleidet soll sie gewesen sein.“
    Harald gluckste. „Unbekleidet, also nackig? Dann bin ich aber richtig erleichtert, dass es nicht Sir Darren war.“
    „Wenn ich es richtig verstanden habe, soll es ausgesehen haben, als würde sie gefoltert“, erklärte Werner. Kaum hatte er es ausgesprochen, schickte er einen warnenden Blick an Harald: Und darüber möchte ich jetzt bitte keine Bemerkung hören, keine respektlose, keine anzügliche, überhaupt keine.
    Der Angesprochene wandte sich beleidigt ab, aber natürlich nur für einen Moment. Zu viert bauten sie sich vor der Tür auf und starrten ins Zimmer. Bis Melanie als Erste den Raum betrat. „Es ist ziemlich kühl hier drin“, stellte sie fest. Sie tänzelte einmal durch den Raum, drehte sich in der Zimmermitte um sich selbst und blieb dort stehen. „Nichts.“
    „Du bist eine prima Ballerina“, sagte Harald.
    „Wir sollten Margarete holen“, fand Isabel. „Wo ist sie eigentlich?“
    „Sie macht einen Spaziergang.“
    Harald ließ demonstrativ die Kinnlade herunterklappen und zog eine belämmerte Miene. „Echt jetzt?“
    „M-hm. Sie will es wieder lernen.“ Seit ihrer plötzlichen Erblindung tat sich die Dozentin äußerst schwer. Offenbar begann sie sich wieder zu berappeln und fand zu ihrer Kämpfernatur zurück. Das war gut so. Margarete war mit ihrem Hexenwissen der stärkste Schutz, die sie hatten, seit Sir Darrens Verschwinden definitiv, vielleicht schon seit jeher. Wären sie ein Superheldenteam gewesen, hätten sie Margarete zu ihrer Anführerin gewählt.
    „Wir sollten sie holen“, fand Melanie. „Sie kann das Zimmer auf übernatürliche Aktivitäten hin untersuchen.“
    „Gerne“, meinte Werner. „Wobei ich eher denke, diese beiden verrückten Interessenten haben den Spuk ausgelöst. Oder mitgebracht. Hier gab es nie irgendwelche Unregelmäßigkeiten, also …“ In diesem Moment ging unten die Türglocke. Mehr als einer von ihnen fuhr ordentlich zusammen. „Oh, offenbar sind die beiden zurückgekommen. Haben sie vielleicht etwas vergessen?“
    „Ich sehe nichts“, meinte Melanie. „Auf jeden Fall werden wir jetzt mehr über den Spuk erfahren. Da bin ich ja gespannt.“
    „Trommelwirbel!“, rief Harald.

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