Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
und sein ganzes Blickfeld ausfüllte. Dass er zu Boden ging, spürte er schon nicht mehr.
»Al-hamdu lillah … Allah sei Dank, dass alles so geklappt hat!«, stieß Sadik unendlich erleichtert hervor und ging sofort daran, den Bewusstlosen Arme und Beine zu fesseln.
Tobias wollte ihm helfen, doch Sadik schüttelte den Kopf. »Das schaffe ich schon allein. Hol du unsere Sachen aus der Kammer und bezahl schon mal den Hufschmied. Halt ihn da unten im Hof fest und verwickle ihn in ein Gespräch. Denn wenn er die drei Pferde vor dem Gasthof sieht und drinnen keine Spur von den Männern, muss er zwangsläufig misstrauisch werden, und dann haben wir neuen Ärger – mit dem falschen Mann.«
»Ich mach’ das schon«, versprach Tobias, nahm sein Florett und warf sich nebenan Satteltaschen und Proviantsack über die Schulter. Als er die Treppe hinunterging, tauchte Magdalena in der Küchentür auf, einen kleinen geblümten Kleidersack in der Hand.
»Habt ihr sie alle?«
Tobias lächelte ihr aufmunternd zu. »Alle Tauben im Schlag. Werden nur noch verschnürt. Wir brechen gleich auf.«
»Ich warte am anderen Ende des Dorfes auf euch. Wenn der Patron mich bei euch aufsteigen sieht, wird er Verdacht schöpfen, ich könnte etwas gestohlen haben oder so, und uns sofort verfolgen.«
»Gut, dass du daran gedacht hast. Also warte hinter dem Dorf auf uns.«
»Aber lasst mich nicht zurück!«
»Habe ich bisher nicht Wort gehalten? Hast du nicht schon die Goldstücke?«
Vertrauen zeigte sich wieder auf ihrem Gesicht. »Ich werde rechts bei der großen Eiche warten! Aber beeilt euch, die Kutsche trifft bald ein! Und dann ist auch die Frau des Patrons zurück!«, warnte sie und huschte an ihm vorbei auf die Straße. Noch war alles still. Ein trügerisch friedliches Bild, das jäh zerspringen konnte wie ein Spiegel unter einem Steinwurf.
Ein Mann von Ehre
Sadik hatte ein gutes Gespür gehabt. Tobias trat keine Minute zu spät zu Leo Kausemann in die Schmiede. Der Koloss von einem Mann hatte beiden Falben die schadhaften Eisen ersetzt und wollte gerade die Werkstatt verlassen. Schweiß glänzte auf seinem Gesicht und rann in kleinen Bächen durch den dichten Pelz auf seiner Brust.
»Wir haben es uns anders überlegt und reiten nun doch weiter«, unterrichtete Tobias den geschäftstüchtigen Bürgermeister.
Dieser stemmte die schwieligen Pranken in die Seite. »Ist euch mein Gasthof vielleicht nicht gut genug?«, verlangte er mit gekränkter Miene zu wissen.
»Nein, nein, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Ihre Goldene Ähre verdient den Namen wirklich zu Recht. So ein gepflegtes Haus ist uns schon lange nicht mehr begegnet. Wir wüssten nichts, was es daran auszusetzen gäbe«, beteuerte Tobias. »Es gibt bestimmt weit und breit keinen Gasthof, der so zur Einkehr einlädt wie der Ihre.«
Leo Kausemann stimmte dieses Lob wieder freundlich. »Wort und Siegel gebe ich dir darauf, junger Freund! Keiner kann mir das Wasser reichen. Noch nicht mal der flotte Hannes Kern mit seiner Roten Laterne, obwohl der kräftig in die Hände spucken und arbeiten kann. Hat was Ordentliches aus der Baracke gemacht, die er da vor ein paar Jahren übernommen hat. Aber dennoch, so richtig in Schwung kriegt er den Laden nicht«, brüstete er sich. »Anderes Publikum, das ihm den Schankraum füllt. Na ja, Siebenborn weiß eben, was es an Leo und seiner Goldenen Ähre hat. Aber sagt mal, wo wollt ihr denn noch hin? Es wird gleich dunkel!«
Tobias freute sich über die Gesprächigkeit des Mannes, und er konnte ihn sich gut vorstellen, wie er jede Gelegenheit in Schmiede und Schankraum wahrnahm um sich der Stimmen seiner Mitbürger zu versichern. Er war überzeugt, dass ihm nicht einmal am Amboss die Puste ausging und er den schweren Hammer genauso treffsicher schwang, während er gleichzeitig eine schwungvolle Rede hielt. Sadik brauchte sich mit dem Verschnüren von Stenz und Tillmann gar nicht zu beeilen.
»Wir wollen noch versuchen über den Neckar zu setzen«, antwortete er auf Kausemanns Frage.
»Über den Neckar? Bis zur nächsten Fährstation sind es zu Pferd noch fast zwei Stunden!«
»Ach, das stört uns nicht. Mein Freund hat es eilig, zu seiner Familie und in ärztliche Behandlung zu kommen. Es juckt ihn schrecklich unter dem Verband«, log Tobias und erzählte ihm die Geschichte von der Rauferei. »Und diese Nacht haben wir ja Vollmond.«
Leo Kausemann kratzte sich das kantige Kinn. »Vollmond oder nicht, der alte Jentsch
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