Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
einzig unerfreuliche Erfahrung in diesen anderthalb Wochen, die jedoch auch ihr Gutes hatte, wusste er nun doch, dass er gut beraten war die Finger vom Alkohol zu lassen.
Tobias fühlte sich in der Gemeinschaft der Schausteller ungemein wohl. Besonders bewunderte er die Kameradschaft und den Zusammenhalt, der trotz aller Konkurrenz und auch persönlicher Antipathien unter dem fahrenden Volk herrschte. Viel zu rasch verstrichen diese Tage, die ein schillerndes Kaleidoskop ungewöhnlicher Erfahrungen waren.
Doch der Tag, an dem sie in Speyer bei den Detmers sein wollten um auf Jakob zu warten, rückte unaufhaltsam näher. In Neustadt trennten sie sich schließlich von ihren neu gewonnenen Freunden. Nach einem rührend herzlichen Abschied lenkten Jana, Tobias und Sadik ihren Wagen nach Osten.
In den vergangenen Wochen hatten sie von Zeppenfeld und seinen Komplizen nichts gesehen, so dass sich bei ihnen ein Gefühl der Sicherheit eingestellt hatte. Tobias hätte daher gern vorn bei Jana auf dem Kutschbock gesessen. Doch Sadik traute dem Frieden nicht und bestand darauf, dass er hinten bei ihm im Wagen saß. Das Einzige, was er ihnen zubilligte, war, dass der Teppich vor dem Durchgang hochgerollt wurde, so dass sie hinausschauen und sich mit Jana unterhalten konnten.
»Man kann es mit der Vorsicht auch übertreiben«, meinte Tobias dazu.
»Gewiss, nicht jede Wolke bringt Regen, mein Freund«, erwiderte Sadik ungerührt. »Doch nur der Einfältige stellt sich bei einem aufziehenden Unwetter freiwillig unter die Regenrinne und sagt dann verwundert: ›Hui, wie ist es nass!‹«
»Von einem aufziehenden Unwetter kann ich aber weit und breit nichts sehen, Sadik.«
»Wenn es dem Menschen zu gut geht, beginnt er zu klagen«, hielt Sadik ihm gelassen vor.
Tobias seufzte resigniert und gab es auf, ihn umstimmen zu wollen.
»Erzähl uns ein Rätsel, Sadik!«, rief Jana vom Kutschbock um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
»Ja, tu das«, brummte Tobias.
Sadik lächelte. »Nun, dann hört gut zu: ›Die Könige benötigen sie, die Emire verlangen nach ihr und in den Zelten der Beduinen ist sie ebenso willkommen. Ein Meer ist in ihrem Leib und ihr Abendessen kocht sie auf der Glatze ihres Mannes.‹«
»Ganz schön schwierig«, meinte Tobias und grübelte.
Jana wandte sich zu ihm um, während Napoleon in gemächlichem Tempo über die einsame Landstraße zockelte, die durch die südlichen Ausläufer des Massera-Waldes führte. »Ein Suppentopf?«
Sadik schüttelte den Kopf. »La, ein Suppentopf ist es nicht.«
»Aber irgendetwas kocht doch, nicht wahr?«
»Es brodelt in ihrem Leib«, erinnerte Sadik sie an den Wortlaut des Rätsels.
»Könige, Emire und Beduinen verlangen gleichermaßen nach ihr«, sinnierte Tobias. »Also was Besonderes kann es nicht sein, oder?«
»Du sollst das Rätsel lösen, Tobias, nicht mich nach der Lösung fragen.«
»Ein Gefäß, in dem Wasser brodelt und auf dessen Glatze, was immer damit gemeint sein mag, das Abendessen kocht«, murmelte Tobias nachdenklich.
»Vergiss nicht, dass in einem arabischen Rätsel die Worte nicht wortwörtlich zu nehmen sind, sondern Bilder umschreiben. Eine Bratpfanne ist mit der Glatze also sicherlich nicht gemeint«, half Sadik ihnen auf die Sprünge.
Jana lachte. »Nach einer Bratpfanne würden Könige und Emire auch kaum verlangen. Es muss vielmehr etwas sein, womit sie sich die Zeit vertreiben, ohne aber so außergewöhnlich und teuer zu sein, dass man es nicht auch in den Zelten der Beduinen kennen würde – ein Spiel vielleicht oder …«
»Jetzt weiß ich es!«, rief Tobias freudestrahlend.
»Dann heraus damit!«, forderte Sadik ihn auf. »Was ist es?«
»Die Wasserpfeife!«
»Richtig.«
»Jana hat mich darauf gebracht«, gab Tobias zu. »Als sie das mit dem Zeitvertreib erwähnte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.«
»Schuppen – dazu fällt mir ein anderes Rätsel ein«, sagte Sadik, kam jedoch nicht mehr dazu, es auszusprechen.
Denn in dem Moment rief Jana erschrocken: »Sadik-Tobias! Die Kerle da vorn – die sehen ganz so aus, als führten sie was im Schilde!« Sie zerrte an den Zügeln und brachte Napoleon zum Stehen.
Sadik und Tobias beugten sich gleichzeitig so schnell vor, dass sie beinahe mit den Köpfen zusammenstießen. »Zeppenfeld?«, stieß Tobias erschrocken hervor.
»Nein, die Burschen sehen mir eher wie Wegelagerer aus«, meinte Sadik.
»Die wollen uns ausrauben«, sagte Jana.
Es waren vier Männer, die
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