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Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Titel: Falkenhof 03 - Im Banne des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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der Arbeit des Spaniers Francisco Salva aufgebaut und schon vor gut zwanzig Jahren eine Strecke von über zwei Meilen überbrückt hat«, erklärte Rupert Burlington angeregt und gab Willard das Zeichen, die Suppenteller abzuräumen und den nächsten Gang zu servieren. »Das gelang ihm mit Hilfe von stärkeren Batterien, als Salva sie 1804 bei seinem Versuch in Barcelona eingesetzt hatte. Aber Sömmerings Telegraf hatte viele schwache Stellen, und er brauchte für jeden Buchstaben eine eigene Leitung, was zu 35 Drähten führte. Zudem war das Verfahren zur Erkennung der Zeichen noch zu kompliziert und zu langwierig. Mittlerweile hat man auf diesem Gebiet jedoch große Fortschritte erzielt, und ich hege die feste Überzeugung, dass dem elektrischen Telegrafen, der von Wind und Wetter sowie Tages- und Nachtzeiten unabhängig ist, die Zukunft gehört. Und dann werde ich nicht nur Hegarty oder seiner Frau am Tor eine Nachricht zukommen lassen, sondern irgendwann einmal auch deinem Onkel auf Falkenhof oder Hagedorn in Cairo – und zwar ganz bequem von meinem Arbeitszimmer aus.«
    Sadik seufzte schwer, als hätte er nun genug Märchen zu hören bekommen, die den Titel Lord Burlingtons Tausend-und-eine-Technik-Nachtgeschichten haben konnten.
    Rupert Burlington fixierte ihn durch sein Monokel, jedoch ohne Groll, waren ihm Skepsis und Gelächter, die er mit derartigen Reden immer wieder bei seinen Zuhörern hervorrief, doch nur zu vertraut.
    »Es mag uns heute so phantastisch wie ein Märchen aus einem technischen Schlaraffenland vorkommen«, räumte er ein. »Aber derjenige, der in der Steinzeit das Rad erfand, hatte anfangs bestimmt auch gegen das Unverständnis seines Clans zu kämpfen, der den Nutzen dieses komischen runden Dinges nicht begriff.«
    Sadik zuckte mit den Achseln. »Nicht von jedem Minarett wird Weisheit gepredigt.«
    »Und der Müßige weilt allein im Mondschein!«, hielt Rupert Burlington ihm schlagfertig entgegen. »Der technische Fortschritt der Menschheit beruht nicht auf Skepsis und Untätigkeit, sondern auf Tatkraft und Visionen. Gewiss, viele enden in Sackgassen. Aber wenn von tausend scheinbar lächerlichen Ideen uns auch nur eine einzige in unserer Entwicklung weiterbringt, so haben auch die neunhundertneunundneunzig ihren Sinn gehabt und ihren Beitrag dazu geleistet. Der Mensch lernt nicht zuletzt durch seine Irrtümer, mein lieber Sadik. Um noch einmal auf das Rad zurückzukommen: Wer von den Menschen, die vor vielen tausend Jahren den ersten Radkarren gebaut haben, hat sich schon vorstellen können, dass das Prinzip des Rades eines Tages in vielfältiger Weise unser Leben und unseren Fortschritt bestimmen würde? Angefangen von Knopf und Flaschenzug, über das Uhrwerk und die Kutsche bis hin zu den Dampfmaschinen und Lokomotiven und Dampfern. Natürlich niemand! Von dem ersten Rad bis zu den Federuhrwerken in Miss Laura da drüben war es eben ein langer Weg, der mit unzähligen Visionen wie Irrungen gepflastert war. Doch auch die längste Reise …«
    »… beginnt mit dem ersten Schritt«, beendete Sadik die alte Weisheit und fügte einlenkend hinzu: »Schon gut, Sihdi Rupert. Mag sein, dass ein bàdawi für solch eine Diskussion nicht gerade der beste Gesprächspartner ist. Zudem liegen ein paar anstrengende Tage hinter uns, die mein Interesse an Telegrafen und derartigen Erfindungen in sehr bescheidenen Grenzen halten.«
    Tobias war versucht zu sagen, dass ihnen eine solche Erfindung gerade in den letzten Tagen, ja Monaten von allergrößtem Nutzen gewesen wäre – wenn sie doch nur schon so weit fortgeschritten wäre, wie ihr Gastgeber es für die Zukunft voraussah. Dann hätten sie Jean Roland und Rupert Burlington schon von Mainz aus vor Zeppenfeld warnen und auf einige Risiken verzichten können. Aber leider gehörte das nun wirklich ins Reich phantastischer Träume.
    »Mein bester Sadik, verzeihen Sie, dass ich mich in meiner Begeisterung habe dazu hinreißen lassen, Sie mit meinen Grillen und Zukunftsvisionen zu langweilen«, entschuldigte sich Rupert Burlington. Er sagte es jedoch ohne Betroffenheit, sondern mit fröhlicher Beiläufigkeit. Denn er war längst zu der Überzeugung gelangt, dass es eigentlich keinen großen Unterschied machte, wie man sein Leben einrichtete, solange man seinen Mitmenschen nicht übel gesonnen war. Und wenn man den andern nicht in seinen Freiheiten beschnitt und ihm zubilligte, was man auch für sich selbst verlangte, dann war jede Wahl, die man für

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