Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
dort in den Wirren der Revolution zugetragen hatte, wie sie den Koran gefunden und gleich wieder an Zeppenfeld verloren hatten. Wie es diesem gelungen war, Jana aus dem Haus von Jean Roland zu entführen, und wie sie Jana aus seiner Gewalt hatten befreien können, ohne ihm die wichtige Landkarte, die das Lösegeld für Janas Freiheit hatte sein sollen, aushändigen zu müssen.
Den letzten Teil ihrer Reise, der sie unter Lebensgefahr von Frankreichs Küste nach Mulberry Hall geführt hatte, fasste Sadik mit einem Dutzend Sätzen zusammen. Denn er sah Tobias und Jana ihre kaum noch zu zügelnde Ungeduld an, endlich zum Ende zu kommen und von Rupert Burlington etwas über den Verbleib des Gebetsteppichs und des dazugehörigen Gedichtes zu erfahren.
Deshalb schloss er ihren langen Bericht mit den Worten: »Es ist also der Gebetsteppich, Sihdi Rupert, der uns nach Mulberry Hall geführt hat und der auch Zeppenfeld mit seinen Komplizen an diesen Ort führen wird – sofern er nicht schon vor uns hier eingetroffen ist.«
»Unglaublich! Einfach unfassbar! Hätte ich diese Geschichte von einem anderen gehört, ich würde nichts davon glauben!«, murmelte Rupert Burlington fast verstört und schnippte mit den Fingern. »Was Wattendorf damals von sich gegeben hat, war also doch nicht das leere Geschwätz eines geistig Verwirrten. Dieses Verschollene Tal gibt es demnach tatsächlich. Und ausgerechnet dieser Schwächling und Aufschneider Eduard Wattendorf entdeckt es. Welch eine Ironie und Laune des Schicksals!«
Sadik nickte mit grimmiger Miene, denn er konnte gut nachempfinden, was jetzt in Rupert Burlington vor sich ging.
»Ich wollte es erst auch nicht glauben, dass ausgerechnet einem so verachtungswürdigen Mann wie Wattendorf, der seine Kameraden schändlich verraten und in den Tod geschickt hatte, dass Allah solch einer Kreatur das Glück zuteil werden ließ, eine derart bedeutende Entdeckung zu machen. Doch es hat sich nun einmal so zugetragen, daran besteht kein Zweifel.«
Rupert Burlington strich sich nachdenklich über den buschigen Schnurrbart. »Aber einen wirklich handfesten Beweis, dass das alles nicht doch eine geistige Fata Morgana von Wattendorf ist, gibt es nicht, oder?«
»Und ob es den gibt!«, rief Tobias.
»So? Und was ist das für ein Beweis?«
»Zeppenfeld ist der Beweis, dass Wattendorf sich das mit dem Tal der Königsgräber nicht einfach so aus den Fingern gesogen hat. Einen besseren Beweis kann es doch gar nicht geben!«
Sadik pflichtete ihm bei. »Sie kennen Zeppenfeld zur Genüge, Sidhi Rupert …«
»In der Tat!«
»Er ist kein Mann, der Zeit und Geld in eine vage Idee investieren würde, schon gar nicht in eine, die einem Irren im Fieber über die Lippen kommt. Er ist berechnend und skrupellos.«
»Sie vermuten also, dass Zeppenfeld mehr über dieses Verschollene Tal weiß als jeder andere von uns?«
Sadik nickte. »Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass er wusste, was Wattendorf zu Sihdi Siegbert nach Gut Falkenhof, zu Jean Roland nach Paris und zu Ihnen nach Mulberry Hall geschickt hat. Das kann er nur von Wattendorf selbst erfahren haben, was wiederum die Vermutung nahe legt, dass er Wattendorf noch einmal in Cairo aufgesucht haben musste – und zwar wenige Monate vor seinem Eintreffen auf Gut Falkenhof. Es fiel uns erst viel später auf, aber für Februar hatte er eine sehr gesunde, sogar noch ein wenig gebräunte Gesichtsfarbe. Ja, er ist vorher ganz sicher bei Wattendorf in Cairo gewesen. Anders ist sein Wissen über den Falkenstock, den Koran und den Gebetsteppich nicht zu erklären.«
»Mhm, das klingt logisch«, stimmte Rupert Burlington ihm zu. »Nur, warum sollte er Zeppenfeld in sein Geheimnis einweihen, wenn für diesen in seinem großen Rätsel kein Platz vorgesehen war?«
»Wer sagt denn, dass Wattendorf ihm aus freien Stücken davon erzählt hat?«, fragte Sadik zurück und in seiner Frage schwang ein böser Verdacht mit.
Wieder einmal machte sich das Monokel selbstständig und flog haarscharf am Weinglas vorbei, das Rupert Burlington gerade an die Lippen heben wollte. »Sie meinen, Zeppenfeld hat diese Information unter Anwendung von Gewalt von ihm erpresst?«
Sadik zuckte mit den Schultern. »Gewohnheiten ändert nur das Leichentuch und Zeppenfeld hat nie Skrupel gekannt.«
»Zuzutrauen ist es ihm allemal!«, sagte auch Jana voller Abscheu.
Rupert Burlington nahm einen Schluck, kaute nachdenklich auf dem Wein herum wie auf einer harten Nuss und sagte
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