Falkenhof 03 - Im Banne des Falken
dann: »Gut. Einmal angenommen, er war in Cairo, hat aus irgendeinem Grund Verdacht geschöpft, dass an der Geschichte mit dem Tal der Königsgräber etwas dran ist, und Wattendorf daraufhin befragt …« Er zögerte. »Unter der Folter, sprechen wir es ruhig aus.«
Jana fuhr ein Schauer durch den Körper. Sie war sicher, dass Zeppenfeld genau das getan hatte.
Sadik nickte knapp. »So kann es gewesen sein – in etwa.«
»Aber wozu brauchte Zeppenfeld dann noch die Karte aus dem Spazierstock und die anderen Informationen, die im Koran und im Gebetsteppich versteckt sind?«, wandte Rupert Burlington ein. »Einem Mann wie Wattendorf braucht man keine großen Schmerzen zuzufügen, um ihn zum Reden zu bringen. Er ist, vielleicht müssen wir mittlerweile sagen, er war in jeder Hinsicht ein Schwächling. Zeppenfeld wird leichtes Spiel mit ihm gehabt haben, auch noch die kleinste Einzelheit aus ihm herauszuholen. Also, warum ist er dann nach Europa zurückgekehrt, um uns diese verrückten Dinge wie den Koran und den Gebetsteppich abzujagen, statt von Cairo aus direkt zum Verschollenen Tal aufzubrechen? Das macht doch keinen Sinn!«
Jana nagte an ihrer Unterlippe und musste ihm insgeheim Recht geben. So gesehen machte es tatsächlich keinen Sinn und ließ sogar den Verdacht zu, dass sie möglicherweise doch allesamt – Zeppenfeld eingeschlossen – einer Fata Morgana nachjagten.
Einen Augenblick herrschte Schweigen.
Dann fragte Tobias: »Wattendorf war körperlich ein Wrack, nicht wahr?«
Sadik nickte und der Lord sagte: »Odomir Hagedorn, ein guter Freund von mir, der seit Jahren in Cairo lebt, schrieb einmal, er wäre Wattendorf im Basar begegnet und hätte ihn kaum erkannt, weil er kaum mehr als ein wandelndes Skelett sei. Und das war in einer Zeit, als wir alle schon seit Monaten wieder in Europa waren. Doch erstaunlicherweise ging es ihm finanziell sehr gut …«
»Vielleicht hat Zeppenfeld ihm zu viel … zugemutet«, führte Tobias seinen Gedanken zu Ende, der Zeppenfeld des Mordes verdächtigte. »Ich meine, wenn er Wattendorf tatsächlich Gewalt angetan und ihn dabei umgebracht hat, bevor dieser ihm alles erzählen und beschreiben konnte, dann macht sein Verhalten sehr wohl Sinn.«
»Sie haben Recht, Tobias, auch wenn mir diese Vorstellung wenig gefällt«, sagte Rupert Burlington.
»Aiwa, so kann es gewesen sein!« Sadik warf Tobias einen anerkennenden Blick zu.
Tobias lächelte. »Können wir jetzt den Teppich und den Brief mit dem Gedicht sehen, Rupert?«
»Auf das Gedicht bin ich ganz besonders gespannt«, sagte Jana mit vor Aufregung geröteten Wangen.
Rupert Burlington hüstelte ein wenig verlegen, während er zur Serviette griff und sein Monokel putzte. »Ich bedaure, Ihnen im Augenblick mit keinem von beidem dienen zu können, meine Freunde …«
Jana, Sadik und Tobias fuhr der Schreck in die Glieder. Stand ihnen wieder so eine Suche wie in Paris nach dem Koran bevor?
»Nur im Augenblick?«, stieß Tobias hoffnungsvoll hervor. »Das heißt, er befindet sich zwar nicht hier auf Mulberry Hall, aber Sie können ihn rasch beschaffen?«
»Nun ja, so ähnlich«, sagte er und druckste etwas herum.
»Was den Gebetsteppich betrifft, so brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, denn der ist in der Tat rasch zu beschaffen.«
Tobias atmete erleichtert auf. »Gott sei Dank!«
»Er liegt keine zehn Meilen von hier auf Royal Oak im Schachzimmer von Lord Desmond Pembroke. Ich verlor ihn letztes Jahr nach der Fuchsjagd an ihn, als ich mich nach einem halben Dutzend Brandys noch zu einer Partie Schach überreden ließ. Es gehört zu unserem Spiel, dass wir stets etwas Kurioses einsetzen«, fügte er hinzu, als müsste er erklären, wieso er mit seinem Nachbarn um einen arabischen Gebetsteppich gespielt hatte. »Ich muss zugeben, dass ich froh war, diesen Teppich auf diese Weise aus dem Haus zu bekommen. Ich hatte keine Verwendung für ihn, wollte es auch nicht, eben weil es ein Geschenk von Wattendorf war. Ich empfand es sowieso schon als eine dreiste Unverschämtheit, dass er mir überhaupt geschrieben und ein Geschenk gemacht hat … ganz davon abgesehen, dass es sich dabei um einen ordinären Gebetsteppich von sehr einfacher Güte handelte, wie man ihn in den Basars von Cairo zu hunderten angeboten bekommt.«
»Tobias’ Vater und Monsieur Roland haben nicht anders auf Wattendorfs Geschenke reagiert«, sagte Jana verständnisvoll.
Tobias nickte. »Ja, aber das ist jetzt nicht weiter von Bedeutung.
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