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Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Falkenhof 03 - Im Banne des Falken

Titel: Falkenhof 03 - Im Banne des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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windenden Pfad fast verschwinden ließen. Er kam an hohen, stacheligen Gewächsen vorbei. Dann stand er im Schatten hoher Bäume, von denen merkwürdige Früchte wie armdicke Leberwürste sowie ein Gewirr von Lianen herabhingen. Hier und da entdeckte er auf Ästen Orchideen. Andere schmale Wege kreuzten den seinen, und ihm wurde klar, dass dieser, dem er folgte, nicht unbedingt ins Zentrum der Orangerie führen musste.
    Feine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, und es war nicht allein die feuchte Hitze, die dem Boden zu entströmen schien, die ihm zusetzte. Er wurde sich nämlich bewusst, dass es in diesem Dschungel Leben gab, das nicht pflanzlicher Natur war! Denn er hörte nicht nur Vogelstimmen und Flügelschlag hoch oben im Gewirr der Verstrebungen, sondern in dem teilweise verfilzten Dickicht bewegte sich auch etwas!
    Tobias ging langsam weiter, mit einem flauen Gefühl im Magen, das mit jedem Schritt stärker wurde. Was war, wenn Rupert Burlington in diesem Dschungel auch gefährliche Tiere hielt? Wozu sonst die schwere Doppeltür, die das Gewächshaus zum Herrenhaus hin sicherte? Er musste ja nicht gerade Raubkatzen halten, aber vielleicht doch Schlangen. Verrückt genug war er, daran bestand kein Zweifel. Und Parcival war auf seine Art verrückt genug, um ihn nicht davor zu warnen, falls in dieser künstlich angelegten Wildnis ganz reale Gefahren lauerten.
    Das Zwielicht, das im unteren Teil des Gewächshauses noch immer herrschte, trug zusätzlich zu seiner wachsenden Verunsicherung bei. Wenn das Sonnenlicht, das sich im Glas des Daches fing und gerade die buschigen Kronen der höchsten Palmen aufleuchten ließ, doch schon bis in die unteren Regionen dringen würde, wäre alles halb so schlimm. Aber in diesem Dämmerlicht wurde ihm der Dschungel von Mulberry Hall mit jedem Schritt unheimlicher – und bedrohlicher.
    Wieder hörte er etwas rascheln und sofort blieb er stehen. Sein Herz schlug schneller. Von oben kam die Stimme eines Vogels, die dem höhnischen Gelächter eines Menschen sehr ähnlich klang.
    Tobias drehte sich langsam um, sah nichts als dichtes Grün und wünschte plötzlich, er wäre im Bett geblieben und hätte sich noch einmal auf die Seite gedreht. Was, zum Teufel, machte er allein in dieser verrückten Wildnis, von der er nicht wusste, was sie an Gefahren barg?
    Mein Gott, es ist nur ein Gewächshaus, wenn auch ein riesiges!, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Und vermutlich ist irgendeine blöde Maus oder ein Vogel für das Rascheln verantwortlich. Also reiß dich zusammen. Das hier ist Mulberry Hall in England und nicht Amazonien in Südamerika!
    Aber viel half es nicht. Der beschleunigte Herzschlag, die leichte Gänsehaut und das üble Gefühl in der Magengegend blieben. Doch er zwang sich seinen Weg fortzusetzen.
    »Lord Burlington?«, rief Tobias. »Lord Burlington? … Sind Sie da irgendwo?«
    Keine Antwort.
    Sollte er nicht besser wieder umkehren? Wo befand er sich jetzt überhaupt? War er bei der vorletzten Weggabelung dem rechten oder dem linken Weg gefolgt?
    Tobias kam durch einen kleinen Wald aus Bambus, der weit über seinen Kopf reichte. Ein Vogel mit bunt schillerndem Gefieder, der ihm wie eine Art Kakadu vorkam, flatterte über ihn hinweg und ließ ihn zusammenzucken.
    Er beschloss, diesen unheimlichen Erkundungsgang durch Burlingtons Privatdschungel abzubrechen und ins Herrenhaus zurückzukehren. Und was den Rückweg betraf, so würde er sich an der Dachkonstruktion orientieren. Er musste sich nur unter dem höchsten Punkt des Daches halten und dann die Längsstreben als Richtungsweiser nehmen.
    Jetzt, als er Dach und Eisenkonstruktion häufiger und eingehender ins Auge fasste, bemerkte er auch weitere technische Details, die sein Interesse weckten und ihn von seinem Gefühl der Beklemmung ablenkten. Er entdeckte Ventilatoren mit großen Rotoren unter der Decke, verbunden mit Wellen- und Riementransmissionen, sowie Seilzüge, die zu beweglichen Glaselementen im Dach und zu langen Rollen mit aufgewickeltem weißem Segeltuch führten. Tobias konnte sich denken, wozu sie dienten: Mit Hilfe der Lüftungsklappen und der ausziehbaren Planen, die in Schienen unter dem Dach entlanggeführt und so zu Schatten spendenden Sonnenblenden wurden, regulierte Burlington die Temperatur, sollte sich das Gewächshaus unter der Sommersonne zu sehr aufheizen. Doch wie sorgte er in den langen, eisigen Wintermonaten bloß für die tropische Hitze, die diese Gewächse ganzjährig

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