Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
wahrscheinlich keine Spuren gab. Bis dahin sollte Walcher einen Kaffee trinken gehen, denn hier stünde er nur im Weg. In diesem Moment fiel Walcher Brunner ein, aber ein Blick auf sein Handy zeigte, dass der Kommissar die Verbindung abgebrochen hatte.
Walcher rief ihn deshalb erneut an, entschuldigte sich und dankte ihm herzlich für die wohltuend beruhigende Unterstützung, was Brunner nur mit »Telefonseelsorge« bedachte.
Walcher übergab den beiden Beamten den Wohnungsschlüssel. Dann machte er sich auf den Heimweg, denn Johannes und die anderen konnte er ebenso gut von zu Hause aus anrufen.
Ein beschissener Tag, wahrhaftig ein beschissener Tag, fluchte er, als er sich den Helm aufsetzte und im Begriff war, auf die Kawasaki zu steigen. Sanft im Wind flatternd, winkte ihm ein blaues Strafticket zu. Wegen Überschreitung der Parkzeit.
Er würde in den nächsten Tagen eine schriftliche Verwarnung erhalten und so weiter … Walcher fluchte in ohnmächtiger Wut und hatte sofort wieder diese schrille Frauenstimme mit dem sächsischen Akzent im Ohr.
Auf der Fahrt auf Nebenstraßen und Feldwegen zurück ins Allgäu drehte er nicht nur ordentlich das Gas auf, er wägte auch den Gedanken ab, ob hinter der Durchsuchung der Menschenhändlerring stecken könnte. Immerhin hatte er Jeswita Drugajew seine Visitenkarte gegeben, vielleicht gab es da Zusammenhänge. Er sollte etwas vorsichtiger sein, beschloss er und nahm bei diesem Vorsatz auch das Gas zurück.
Rodica VI
Die Tage und Nächte folgten aufeinander, ohne sich groß voneinander zu unterscheiden.
Rodica hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Ihre Aufpasser verabreichten ihr täglich bitter schmeckendes Wasser und passten auf, dass sie es auch trank. Danach wurde sie immer schläfrig, und ihre Traurigkeit und Angst wichen einer gelösten Gleichgültigkeit. Auch die Schmerzen im Unterleib ließen dann etwas nach. Trotzdem graute es ihr vor den Abenden und Nächten. Vier, fünf Männer kamen jede Nacht zu ihr, manchmal waren es sogar mehr.
Wenn sie nach Schnaps rochen, waren sie besonders grob. Dafür blieben sie dann aber nicht lange, weil sie schon bald aufstöhnten und abspritzten. Was Abspritzen war, hatte ihr eines der älteren Mädchen erklärt. Deswegen musste sie von Zeit zu Zeit eine Tablette schlucken, damit sie nicht schwanger würde, weil Huren, die ein Baby bekämen, nur Ärger machen würden.
Wenn die Männer nach Alkohol stanken, dann waren sie aber auch großzügig und drückten ihr manchmal einen Geldschein zwischen die Schenkel. Sie hatte schon einige Scheine zusammen und versteckte sie unter dem Matratzenbezug. Aber der Fette hatte das Geld entdeckt, er schlug sie und brüllte: »Beklaust uns, du kleines Miststück.«
Rodica weinte nicht, sie lächelte bloß teilnahmslos, wie sie auch lächelte, wenn die Männer über sie herfielen. Wenn es besonders schlimm war, versuchte sie an zu Hause zu denken, an ihre Schwester, an die Brüder, die Mutter, den Vater und sogar an den Pfarrer. Aber das tat ihr auch nicht immer gut. Besonders, wenn sie an den Pfarrer dachte. Irgendwie schämte sie sich dafür, was die Männer mit ihr machten, und der Pfarrer war ja ein heiliger Mann, den man bei solchen furchtbaren Schweinereien schlecht um Hilfe anrufen konnte.
Aus der Wohnung mit den kahlen Zimmern hatte man sie fortgeschafft und in eine andere gebracht. In der neuen Bleibe standen in den Zimmern richtige Betten, und es gab eine Küche, in der eine von den älteren Frauen etwas zu essen für alle kochte. Wie in einer Familie saßen dann die Frauen und die Mädchen gemeinsam am Tisch zusammen.
Nur mit einer der Frauen konnte sich Rodica verständigen, die anderen Sprachen kannte sie nicht. Auch die ersten deutschen Worte hatte Rodica gelernt: Danke, bitte, Fotze, Schwanz, geil, Titten, Arsch, Kohle, Schnaps, Blasen, Hunger, Durst, Hure.
Seit ihrer Abfahrt aus dem Dorf war sie eingesperrt gewesen. Kein Sonnenstrahl bräunte ihre Haut, sie war weiß wie Schneewittchen, nur um die Augen herum hatten sich dunkle Schatten gebildet. Manchmal waren ihre Backen rot, aber nur, weil die Männer oder der Fette sie geschlagen hatten. Wer dafür bezahlte, durfte sie nicht nur vergewaltigten, er durfte sie auch schlagen.
Als Rodica sich eines Nachmittags auf den kleinen Balkon an der Küche setzte und mit geschlossenen Augen die Wärme der Sonne genoss, zerrte sie der Fette in die Wohnung und prügelte wie von Sinnen auf sie ein. Aber er achtete stets darauf, sie
Weitere Kostenlose Bücher