Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Yacht und alles, was sich auf ihr befand, in winzige Einzelteile. Ein eindrucksvoller Beweis, dass große Torpedos auch kleine Ziele treffen konnten.
Ilija 3
Ilija Dargilew war mit Sensoren ausgestattet, die auch feinste Veränderungen bei Menschen seines Umfelds registrierten. So waren Terminverschiebungen bei dem Präsidenten nicht ungewöhnlich, sondern eher die Regel. Ungewöhnlich hingegen war, dass der Präsident seit Wochen angeblich nicht die Zeit fand, einmal selbst zum Telefon zu greifen, um mit Ilija zu sprechen. Bisher hatte er das zwei-, dreimal jede Woche getan, manchmal auch noch öfter, und ihn um seine Meinung zu den unterschiedlichsten Problemen gebeten. Die Funkstille verunsicherte den Boss und machte ihn hochgradig nervös. Um Klarheit zu bekommen, rief er den Präsidenten mehrfach an. Der war aber nie am Apparat, obwohl er Anrufe auf der speziellen Privatnummer, die nur einer Handvoll der engsten Vertrauten bekannt war, bisher immer persönlich angenommen hatte.
Stattdessen war seit zwei Wochen nur sein Privatsekretär am Apparat gewesen, und der hatte stets sehr freundlich und verbindlich versprochen, dem Präsidenten von Ilijas Anruf zu berichten. Aber es tat sich nichts.
Also schickte Ilija seine Frau vor, damit sie mit ihrer Freundin, der Gattin des Präsidenten, Kontakt aufnahm. Reja-Mira war nach einigen ebenfalls vergeblichen Versuchen außer sich: »Was glaubt diese bürgerliche Schlampe, mit wem sie es zu tun hat, ich bin eine Bojarin«, tobte sie.
Wovon Ilija Dargilew nichts wusste, in diesem Fall schien sein fein gesponnenes Informationsnetz versagt zu haben, war die Eröffnung des Büros einer internationalen Frauenorganisation in Moskau. Das wirklich Interessante daran war auch nicht die Eröffnung des Büros, sondern dass die First Lady höchstpersönlich die Schirmherrschaft für diese Organisation übernommen hatte, die sich »Solidarity with Women in Distress«, kurz SOWID , nannte.
Ilija nahm an, dass ihn sein Freund nach demselben Strickmuster demontieren wollte, wie er es schon in anderen bekannten Fällen, etwa bei dem Chef des Ölkonzerns Yukos, getan hatte. Ilija selbst hatte dem Präsidenten damals diese Vorgehensweise empfohlen, wie der Chef des erfolgreichen Energieversorgers in einem halbwegs rechtsstaatlichen Rahmen zu entmachten wäre. Der Präsident hatte in dem charismatischen Yukos-Boss einen gefährlichen Konkurrenten um Macht und die Führung Russlands gesehen. Ilija Dargilew konnte nicht ahnen, dass sein Freund zwar keine Bedrohung in ihm sah, ihn aber dennoch fallen lassen musste. Kriminelle Geschäfte mit Drogen, Waffen, Gas oder Öl, Schutzgelderpressung und noch einiges mehr, damit hätte der Präsident leben können, die gehörten in seinem Land zur Normalität. Aber der Präsident und seine Frau waren fromme Christen, zumindest stellten sie sich so ihrem Wählervolk dar. Darum war für sie die Information, dass ihr Freund Frauen und sogar Kinder verschleppen ließ, um sie an Bordelle und Pädophile zu verkaufen, ein wirklicher Schock. Dem Präsidenten blieb deshalb nichts anderes übrig, als zu reagieren, immerhin hatte er dieses Geschäft gründlich erlernt. Als nur wenige Tage später Dargilews Immobilienbüro in Moskau in der vornehmen Majakowskaja-Straße von der Steuerfahndung gestürmt und sämtliche Unterlagen, Computer und sogar die Telefonanlage beschlagnahmt wurden, schrillten bei Dargilew alle Alarmglocken. Genau diese Maßnahme hatte Ilija damals dem Präsidenten als »gesetzeskonforme Vorgehensweise« empfohlen.
Ilija fasste es als Abschiedsgruß auf und zugleich als ein ernstzunehmendes Warnsignal. Zwar kannte er nicht den Grund für den Liebesentzug des Präsidenten, aber was spielte das schon für eine Rolle?
Im Vergleich mit dem Yukos-Chef war er eine unscheinbare Figur, weder der russischen noch der internationalen Öffentlichkeit bekannt, und das wusste Ilija natürlich. Bei ihm brauchte der Präsident keine Rücksicht auf internationale Reaktionen zu nehmen.
Ilijas Plan, sich erst einmal nach Deutschland, genauer nach Berlin, Hamburg oder Frankfurt abzusetzen, einen der Standorte seiner deutschen Immobiliengesellschaft, musste er, kaum gefasst, sofort wieder fallenlassen. Nach Telefonaten mit den Leitern seiner Niederlassungen bestätigte sich ihm, was er immer schon gewusst hatte, nämlich dass der russische Präsident ein sehr gründlicher Präsident war, jedenfalls bei derartigen Angelegenheiten.
Auch in Deutschland wurden
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