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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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preußischen Gesandten zu melden
oder verschlüsselt in Privatbriefen an die Mutter zu schreiben.
    Obwohl sie sich in Ansbach nur zu oft als die armselige Hirtin
von Ziegen und Schafen fühlte, als die die Mutter sie verspottet hatte,
freute sie sich noch immer jedes Mal über die üppige Tafel. Anders als
in Preußen, wo sie als Kind fast nur schweren Kohl und von allem zu
wenig bekommen hatte, hielt man in Ansbach französische Tafel mit zwei
Gängen zu jeweils vierundzwanzig verschiedenen Speisen. Zum Abschluss
folgte ein Gang Konfekt.
    Schon schleppten die Kammerjunker die schwer beladenen
Schüsseln, Platten und Terrinen herein und stellten sie nach einer vom
Hofmeister entworfenen Symmetrie auf die Fürstentafel. Dampfende
Hechtsuppe, warme Lerchenpasteten, Hirschohren mit aufgebrochenen
Krebsschwänzen und Pistazien, Knochen voller saftigem Mark, das man mit
langen Gabeln herausholte. Gegrillte Tauben, in Honig gewendet, und
gefüllte Artischocken gruppierten sich um gemästete, in Semmelbrösel
panierte Schnecken. Schalen mit Staudensellerie, großen Oliven,
Apfelsinengelee und Johannisbeerkrapfen kamen dazu. Friederike ließ
sich von allem geben. Sie aß genüsslich und vermied Gespräche. Die
Essensdünste vermischten sich mit der aufgewärmten Luft und trieben ihr
schon bald wieder den Schweiß aus den Poren. Läuse plagten sie in ihren
Schamhaaren. Friederike sog den säuerlichen Geruch ein, der aus ihrem
Dekolleté und den Achselhöhlen hochstieg und der sie schon als Kind
getröstet hatte.
    Was ist die Einsamkeit eines Robinson Crusoe schon gegen
meine, sinnierte sie, als sie mit gespitztem Mund vorgab, den Worten
des kaiserlichen Gesandten zu lauschen, der gerade einen Toast auf sie
ausbrachte.
    Der Markgraf, der sie an diesem Abend kaum gegrüßt hatte, saß
eingerahmt von der bösartigen Gräfin Seckendorff und Caroline von
Crailsheim, die mit knapp sechzehn Jahren erst ein paar Wochen am Hof
war und der man trotz ihrer Größe, mit der sie fast alle Männer
überragte, viel Erfolg prophezeite.
    Friederike litt auch an diesem Abend wieder unter dem
miserablen Spiel des Hof Orchesters. Die Streicher pausierten
zwischendurch, um sich an den Waden zu kratzen, und überholten trotzdem
die Celli. Dennoch hatte der Markgraf dem Kapellmeister erst kürzlich
die jährliche Besoldung um fünfzig Gulden aufgestockt, weil dessen Frau
bei der Geburt von Zwillingen gestorben war und jetzt Ammen bezahlt
werden mussten.
    Der Markgräfin entging nicht, dass der kaiserliche Gesandte
erregt auf seinem Stuhl hin und her rutschte, als üppig mit frischen
Austern belegte Platten aufgetragen wurden. Laut Protokoll stand ihm
davon erst etwas zu, wenn sie sich davon bedient hatte. Also entschied
sich Friederike für Schinkenpasteten mit Mandelspänen, ein Stück Kapaun
und marinierte Erdbeeren. Danach probierte sie noch von den
Lammkoteletts in kräftiger, süßsaurer Sauce und Semmeln mit
Pistaziencreme. Sollte der Wiener Lackaffe doch zappeln.
    Zwischen zwei Bissen neigte sie sich Herrn von Nostitz zu und
sagte lauter, als seine Schwerhörigkeit nötig machte: »Mein Bruder, der
Kronprinz, lässt Sie grüßen.«
    Nie hatte Friedrich in seinen Briefen ein Wort über den alten
Herrn verloren, schrieb er doch fast nur von seinen Bauplänen für das
Rheinsberger Schloss. Zwischendurch klagte er allenfalls noch über die
Zählebigkeit des Vaters. Selbst die Mengen von Wasser, die sich in
seinen Beinen stauten, brachten ihn nicht um, so dass an die Schwestern
in Ansbach, Bayreuth und Wolfenbüttel leider keine Trauerbotschaften
verschickt werden konnten.
    Brütende Hitze lag über dem Saal. Eine Dame
an einem Tisch des niederen Adels fiel in Ohnmacht und wurde
hinausgetragen. Friederike spürte, wie mittlerweile ihr Mieder
durchnässte. Sie ahnte, dass auch sie aussah wie ein Gespenst, denn die
Menschen um sie herum hatten in kurzer Zeit groteske Züge angenommen.
Das arsenhaltige Bleiweiß auf den Gesichtern verklebte mit dem Schweiß
zu einer zähen, pampigen Schicht, die auf Stirn, Nase und Wangenknochen
in kleine Furchen aufsprang wie das ausgelaugte Erdreich, wenn es
wochenlang nicht regnete. Zufällig fiel ihr Blick auf Caroline von
Crailsheim, und sie beobachtete sie eine Weile.
    Die ist anders, dachte Friederike bei sich, ich weiß nur
nicht, wie.
    Sämtliche Augen am Tisch folgten dem Grafen
aus Wien, der immer noch keine Austern schlürfen durfte. Gerade
entfernte er mit einer galanten Geste einen Floh vom Busen der

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