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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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aller Herrgottsfrüh das Feuer in den Kaminen schürten, es
nicht entdeckten. Erst jetzt sah sie in sein Gesicht. Ein paar Striche
ergaben Augen, Nase, Mund, umrahmt von unordentlichen langen Haaren.
Sie spürte einen kleinen Stich und gleichzeitig Wärme, die, wie sie
stark annahm, aus ihren eigenen Organen kam.
    Natürlich, das war er, sie erkannte ihn. Die Ähnlichkeit mit
dem schönen Huronen, den sie vor einer kleinen Ewigkeit in einer
Berliner Wirtschaft getroffen hatte und der sie damals gut zu kennen
schien, war unübersehbar. Die Grübchen aber und das männliche Kinn,
stammte das nicht von Carlone? Würde sie jemals wieder einen Mann
treffen, der ihr gefiel? Und wenn ja, was würde dann passieren?
    Schließlich kam der Tag, auf den die
Hofmaler, Dekorateure, Vergolder, Feuerwerksleute, Zimmerleute,
Hofgärtner, Brunnenmacher, Steinmetzen, alles in allem achtzig Künstler
und Handwerker, seit Wochen hingearbeitet hatten. Dieser Donnerstag
sollte der Höhepunkt des königlichen Besuches werden und der ganzen
Welt den Glanz des Hauses Brandenburg-Ansbach vor Augen führen. Durch
eine dünne Wolkenschicht schien schon morgens dunstig die Sonne, an den
Bäumen störten erst wenige gelbe Blätter die spätsommerliche Harmonie.
Man war guter Dinge. Heistermann deutete es als positives Omen, dass
der Stuhlgang des Markgrafen sich wieder von einem flüssigen, übel
riechenden Schwefelgelb zu würzigem Dunkelbraun verfestigt hatte.
Seckendorff, seine Sekretäre und Kanzleimitarbeiter hatten mit den
Unterhändlern des Königs bereits alles penibel vorbereitet. Man
sortierte ein letztes Mal die Schriftstücke, las flüsternd die eine
oder andere Passage. Geräuschlos wurden Kopien über mit Intarsien
verzierte Kirschholztische geschoben. Auf Worte konnte man inzwischen
fast verzichten, weil man sich in den vergangenen Tagen bestens mit den
Spielregeln arrangiert und ein leichtes Kopfnicken eingeübt hatte. Die
einen schauten sich jetzt also wohlwollend auf die polierten
Fingernägel, die anderen entfernten hier und dort ein Stäubchen vom
seidenen Rock. Bis der König und der Markgraf eintrafen, löffelte man
Bouillon und ließ sich Schnecken in Aspik reichen. Sie aßen mit dem
ebenfalls routinierten Appetit der Diplomaten.
    Bei diesem Zusammentreffen war Charles
eindeutig im Vorteil. Elisabeth, so die Meldung des Eilboten vor einer
Stunde, hatte ausgezeichnet geschlafen und wollte tagsüber sogar ein
wenig mit Fritz Spazierengehen. Seine Gebete, ließ sie ihm ausrichten,
hätten sie gerettet. Dementsprechend überschwänglich stürmte er auf den
Schwager zu. Er hatte auch keine Lust mehr, an den Verträgen zu feilen,
die Anspannung war ihm zu viel. Hauptsache, Friedrich haute morgen
wieder ab.
    Um ein Pferd hatte er ihn damals, vor
dreizehn Jahren angefleht. Als er als Kronprinz zusammen mit dem Vater
die frisch und schon unglücklich verheiratete Schwester in Ansbach
besucht hatte. Während die Minister und seine Adjutanten Wichtigkeit in
den mit schönen Falkenszenen geschmückten Raum ausatmeten, ärgerte sich
der junge König darüber, wie sehr er sich jetzt wieder von der
Vergangenheit quälen ließ. Von Ansbach aus hatte er damals fliehen
wollen. Zuerst nach Württemberg und von da aus zum Onkel und König von
England. Weg von der Tyrannei des Vaters, weg von der Freudlosigkeit
des preußischen Hofes. In Ansbach war die Freiheit zum Greifen nahe
gewesen, denn er hatte den jungen Schwager für einen furchtlosen Kerl
gehalten. Aber der hatte den Schwanz eingezogen und ihm das Pferd
verweigert. Das Geld vom königlichen Schwiegervater war ihm wichtiger.
Gott, wie elend er sich damals gefühlt hatte, wie gottverdammt in der
Scheiße, dass er sich vor solch einem Trottel klein und bittend hatte
machen müssen.
    Ansbach war ihm zuwider. Er trommelte mit seinen feinen langen
Fingern auf die Tischplatte, während der Schwager umständlich die
Vertragsseiten umblätterte.
    »Es ist für Sie und Ansbach zum Besten«, sagte der König
streng.
    Der Markgraf schaute großäugig und maulig zurück. Ganz der
Bub, der genug hat vom Stubenhocken und den lateinischen Verben und
endlich zum Rennen ins Freie möchte.
    »Ja, ja, ich weiß, ich unterschreib gleich, aber dann trinken
wir erst mal Bier.«
    Gönnerhaft tat ihm Friedrich den Gefallen. Charles'
Unterschrift und Siegel auf der Abtretungserklärung aller
Anspruchstitel der markgräflichen Linie auf Schlesien an die königliche
Linie waren schließlich der einzige Zweck

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