Falkenjagd
dieser vier grauenhaften Tage
in Ansbach gewesen. Nicht verhindern konnte er, dass ihm der Schwager,
erschöpft und gefühlsduselig wie er nach seiner überstandenen Diarrhö
war, noch von seiner Mätresse, einer gewissen Frau Wünschin, und ihrem
gemeinsamen Sohn vorsabberte.
Friedrich schloss die Augen, zog den Mund noch schmaler und
dachte daran, dass Villepin doch tatsächlich die Frechheit besaß, sich
seit gestern nicht mehr bei ihm blicken zu lassen.
Der Rest des Tages war dann noch einmal
fürchterlich anstrengend. Friederike musste sich in eine schwere,
silberstarre Hofrobe einschnüren lassen, die noch dazu voller
Ungeziefer war, weil man vergessen hatte, sie auszubürsten. Ihr Busen
quoll schließlich so weit heraus, dass sie fürchtete, beim kleinsten
Niesen würden die Brustwarzen herausrutschen. Ein dicke Schicht
Bleiweiß mauerte ihr Gesicht ein, und die neumodische Perücke, bei der
die Locken ganz klein anlagen, jagte ihr schon nach einer Stunde
Schmerzen durch die Stirn. Der ganze Hofstaat mit dem König und der
markgräflichen Familie an der Spitze spazierte zu Fuß die vierhundert
Meter vom Schloss zum Hofgarten. Nur der kleine Alexander strahlte,
dass man seine Zahnlücken sah. Er war stolz, dass ihm sein königlicher
Onkel so viel Aufmerksamkeit schenkte. Friederike stützte Charles am
Ellenbogen, denn er war mittlerweile schon wieder betrunken. Wie kaum
je zuvor in ihrer Ehe dankte er ihr mit einem gerührten Lächeln, aus
dem der Speichel troff.
Auf Wunsch des Oberhofmeisters sollte dieses Fest in der
Orangerie in die Geschichte Ansbachs eingehen. In den Spalierbäumchen
baumelten vergoldete Kronen aus Holz und schwarze Adler. Als sie fast
an ihrem Ziel waren, stolperte Charles und riss den schmächtigen
Schwager fast zu Boden. Mit tausend Entschuldigungen küsste der
Markgraf Friedrichs Wangen, und Friederike fürchtete, ihr Bruder würde
jetzt gleich davonstürmen und Ansbach augenblicklich verlassen. Zumal
auch noch in dem Moment, als sie die illuminierte Orangerie betraten,
das Hoforchester so laut und falsch zu spielen begann, dass die
einigermaßen Musikalischen unter ihnen zusammenzuckten. Der Markgraf
allerdings winkte seinen Musikern fröhlich zu.
Das Feuerwerk war ein Erfolg. Das gab auch
der Bruder zu. Von den Höhen Ansbachs zischten rubinrote Kreisel, blaue
Pfeile schossen über die Lindenallee, und die Buchstaben F und C ließen
sich deutlich am Nachthimmel erkennen. Zum Rest der opulenten
Darbietungen und Dekorationen schwieg der hohe Besuch. Dafür fragte er
Friederike nach ihrem Kartoffelanbau in Schwaningen, welche Sorten sie
bevorzugte und wie sie die Bauern zu deren Anbau bekommen hatte. Er
müsste schließlich dafür sorgen, dass sich die Preußen tüchtig
vermehrten, und das ginge nur mit nahrhaftem Essen.
»Ganz recht«, antwortete Friederike, »jedem Preußen müsste man
die Fortpflanzung befehlen.« Als sie sah, wie ihr Bruder sogleich vor
Ärger erbleichte, denn seine eigene Ehe hatte er bislang noch nicht
einmal vollzogen, fügte sie schnell hinzu: »Ach ja, ich empfehle Ihnen
blaue Englische, die wie Hörnchen aussehen, oder gelbe
Zapfenkartoffeln. Am besten, Ihr esst sie selbst, das macht den Leuten
Mut.«
Dass er trotzdem über ihren Spott verärgert war, war ihr
mittlerweile egal. In ihrem Mieder steckte ein Wechsel von über
zehntausend Florentiner Gulden, den der Bruder ihr noch vor der
Konfekttafel ausgestellt hatte. Dafür hatte sie ihm versprochen, in
Ansbach für Preußens Ruhm zu kämpfen wie sein bester Offizier.
Am nächsten Morgen, als der König um Punkt zehn Uhr mit großem
Protokoll verabschiedet wurde, kamen ihr allerdings die ersten Zweifel
an ihrem Versprechen.
8
E s war, wie es war. Da beiße die Maus keinen
Faden ab, sagte Caroline von Crailsheim und zuckte mit den Schultern.
Seit der Tross des Königs vor drei Monaten, im September 1743, aus
Ansbach abgereist war, hatte sie keine einzige Blutung mehr gehabt.
Übel war ihr nicht, und sie spürte auch kein Spannen in der Brust. Den
Kavalier de Villepin schrieb sie sowieso in den Wind.
Die Markgräfin beneidete sie auch in diesem Moment der
Wahrheit um ihre beispiellose Gelassenheit. Andere hätten
wahrscheinlich gewinselt oder zumindest versucht, sich die steinernen
Stufen des Treppenhauses hinabzustürzen, um so einen Abgang
einzuleiten. Caroline spazierte stattdessen mit der Markgräfin an einem
sonnigen Wintertag durch die Lindenallee im Hofgarten und drehte
versonnen lächelnd ein
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