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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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er früher energisch und weit ausholend marschiert
war. Und täuschte er sich, oder hing ihm das rechte Augenlid etwas
schief nach unten?
    »Kersmackers, warte, ich muss ihn was fragen.«
    Der Flame, der fast so alt war wie der Markgraf, drehte sich
um und wunderte sich über den ungewohnt rauen Ton seines Herrn.
    »Hochfürstliche Durchlaucht?«
    »Würde er auch dem Kaiser in Wien als Falkenmeister dienen
wollen?«
    Der Markgraf sah Kersmackers aus solch traurigen Augen an, wie
sie nur Hunde haben, wenn man ihnen den Stock nicht mehr wirft.
    Kersmackers schluckte und presste dann hervor: »Sind
Hochfürstliche Durchlaucht nicht mehr mit mir zufrieden?«
    »Ach, Kersmackers«, seufzte Charles und legte seinen Arm um
die Schulter des Falkenmeisters, »er ist doch mein Bester. Keiner kennt
die Seele der Falkenweibchen so wie er. Keinem würden sie am Wiener Hof
so viel bezahlen wie ihm. Er hat einen Ruf dort. Wir hier
aber …«
    Kersmackers sah, wie dem Markgrafen die Tränen in die Augen
schossen. Erschrocken zog er sein Schnupftuch heraus und reichte es dem
Markgrafen.
    »Sie haben mich alle ausgesaugt. Ischerlein ist abgehauen. Auf
und davon nach Leipzig, bevor ich ihn auf die Wülzburg sperren konnte.
Nachdem er mich so hintergangen hatte, an der Franzosenkrankheit wäre
ich beinahe gestorben. All meine Schuldscheine hat er an andere Juden
weiterverkauft. Ich stecke so tief in der Kreide, dass diese Kanaillen
von Ministern von mir verlangen zu sparen. Vor allem an der Falknerei,
sagen sie. Wahrscheinlich, weil sie mit den Preußen unter einer Decke
stecken und wissen, dass das mein sicherer Tod ist. Ich will aber nur
diejenigen entlassen, von denen ich weiß, dass sie woanders gut
unterkommen.«
    Für ein paar Augenblicke lehnte Charles seinen von der
Anstrengung des Ansteigens und Redens nass geschwitzten Kopf an die
Schulter seines Falkners. Dann riss er sich wieder zusammen, rotzte ein
paar Mal kräftig in den Schnee und stemmte sich die letzten paar Meter
den Hügel hoch. Kersmackers ging bedrückt schweigend neben ihm her.
    Der Markgraf und sein Meisterfalkner beizten
an diesem Tag zwei Milane, drei Kaninchen und ein Eichhörnchen. Alles
in allem keine schlechte Strecke. Sie sahen zu, wie die Falkenweibchen
im milchhellen Himmel ihr Bestes gaben und anmutige schnelle Schleifen
flogen. Der Markgraf jubelte sogar einmal laut und voller Freude auf,
und Kersmackers hoffte schon, dass er wieder der Alte wäre. Aber bald
sah er ihn erneut mit hängenden Schultern und traurigen Augen dastehen
und auch, wie er aus einer silbernen Flasche Schnaps trank.
    Es wurde dunkel und schon sehr kalt, als sie mit den Hunden
und Knechten wieder im Triesdorfer Falkenschloss eintrafen. Kersmackers
wusste zuerst nicht so recht, wie er es sagen sollte. Er trat von einem
Bein auf das andere, so dass Charles ihm schon das Wegtreten zum
Pinkeln gewährte.
    »Nein, nein«, stammelte Kersmackers und rieb seine rechte Hand
nervös am Revers seines lichtblauen Rocks, »ich meine nur, wenn ich
weiter freie Kost und Unterkunft bekomme, dann …«
    In der Dunkelheit konnte Kersmackers seinen Herrn schon nicht
mehr erkennen, sondern nur noch den Glanz in den Augen des Falken auf
seiner linken Faust.
    »… dann«, fuhr er stockend fort, »bleibe ich auch
ohne Lohn hier.«
    Im nächsten Moment spürte er die nassen, unrasierten Wangen
des Markgrafen und dessen stinkende Perücke an seinem Gesicht. Er wurde
gedrückt und umarmt wie seit seiner Kindheit nicht mehr.
    »Mein Gott, er ist so ein guter, feiner Kerl. Wenn es mehr
solch treue Menschen gäbe, wäre mein Leben schöner. Aber in dieser
neuen Zeit, wo nur das Geld und die Kriege …«
    Wieder musste der Markgraf weinen. Er ließ sich auf ein
rissiges Holzbrett an der Wand der Falkengehege fallen, legte seinen
Kopf in beide Hände und dachte an den missmutigen und freudlosen
Schwager in Potsdam und die düsteren Minister in seinem eigenen
Schloss, die ihn ständig maßregelten. Mein Gott, wie war es doch früher
lustig und heiter in Ansbach zugegangen. Charles sah die Bilder von
dampfenden Festgelagen vor sich. Reizende, schäkernde Damen, die ihm
zuzwinkerten. Farbenprächtige Jagden mit dem Herzog von Württemberg und
dem Landgrafen von Hessen, zu denen er seine Falkner allesamt hatte neu
einkleiden und eigens geprägte Falkendukaten als Erinnerung verteilen
lassen. Sollte das jetzt alles vorbei sein?
    Er schnäuzte kräftig in Kersmackers Taschentuch. Diese ganzen
messerscharfen

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