Falkenjagd
einstecken
müssen, so dass ihm die möglichen Konsequenzen seines Hasses fast schon
egal waren. Sie jedenfalls freute sich, Friedrich endlich einmal unter
vier Augen zu treffen.
Als sie eingelassen wurde, saß er schon an
dem kleinen Tisch, den er mitten in dem kreisrunden Raum hatte decken
lassen. Hager, grau und kantig im Gesicht bohrten sich seine Augen
gerade noch in irgendwelche Akten. Sie hatte das Gefühl, dass er im
ersten Moment gar nicht so recht wusste, wer sie war. Eines seiner
Windspiele kam auf sie zu und leckte ihr die Hand. Sie ließ es zu. Der
König lächelte vorsichtig, schob die Schriftstücke beiseite und kam ihr
entgegen. Es wurde wieder nur ein einziges Gericht serviert. Die erste
halbe Stunde gab sich der König große Mühe. Er fragte nach ihren
Eindrücken von Berlin und den jüngeren Geschwistern. Dann redete er
ausführlich über seinen Ansbacher Neffen Alexander, lobte dessen
Studien in Holland und gab sich keine Mühe zu verbergen, dass er viele
Auskünfte über den jungen Mann eingeholt hatte. Flink schälte er ihr
dabei eine der prächtigen, veredelten Birnen aus den Potsdamer Rabatten
und reichte ihr die einzelnen Scheiben. Dann aber spreizte er auf
einmal seine schönen langen Hände und drückte sie energisch auf die
Tischplatte.
»So, Friederike, jetzt müssen wir anfangen, ernsthaft zu
werden.«
Friederike schluckte, wich seinem Blick aber nicht aus.
»Mein Gesandter kann mir immer noch keine schlüssige Antwort
geben, warum Ihr Gemahl den Freiherrn von Seckendorff in seinem Amt als
Premierminister durch dessen Neffen Christoph Ludwig ersetzt hat.
Dieser ist mir zu austrophil. Erklären Sie mir auf der Stelle, was das
Ganze soll!«
Der König blickte sie durchdringend an.
Friederike hatte das Gefühl, als ob sich zwischen den
Hunderten von Buchrücken unsichtbare Schnüre quer durch die Bibliothek
spannten und sie umspannen.
»Na ja, ich lebe fast nur noch in Schwaningen …«,
begann sie vorsichtig.
»Weihnachten waren Sie aber in Ansbach. Ihr Verhältnis zum
Markgrafen soll ja auch nicht mehr so schlecht sein wie früher. Umso
besser …«, lachte Friedrich trocken auf.
»Der junge Seckendorff sondiert gerade neue Finanzhilfen für
den Markgrafen, da stellt er sich wohl besonders geschickt an, nachdem
es mit England geklappt …«
Friederike spürte, wie ihr Gesicht vor Scham rot anlief. Jetzt
wäre Schminke doch ganz praktisch, um sich dahinter zu verstecken,
schoss es ihr durch den Kopf. Habe ich soeben einen Verrat begangen?
Auf welcher Seite muss ich eigentlich stehen? Nein, nein, korrigierte
sie sich selbst, auf welcher Seite will ich
eigentlich stehen?
Der König beobachtete seine Schwester scharf. Sie hatte sich
verändert, und das nicht nur äußerlich. Sie erschien ihm nicht mehr
ganz so unbeholfen und linkisch wie früher. Das machte ihn
misstrauisch. Die Bayreuther Schwester fühlte mit ihm. Friederike aber
war schon als Kind merkwürdig gewesen. Desinteressiert an allem Schönen
und Geistreichen, dafür sparsam und akkurat mit dem Wirtschaften, was
für Frauen sicher nicht das Schlechteste war. Aber dann hatte sie
angefangen, herumzuexperimentieren und zu laborieren, und Bücher
gelesen, die für Frauengehirne nicht bestimmt, ja sogar schädlich
waren. Prompt machte sie das unfolgsam und störrisch. Der König begann,
mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln.
»Ich weiß, ich weiß. Glauben Sie etwa, mein Geheimdienst
funktioniert nicht? Jeder weiß, dass der Markgraf von Ansbach pleite
ist. Ich habe ihm bereits ein Angebot gemacht, allerdings ein
bescheidenes. Warum auch mehr? Ich sehe gar nicht ein, dass mein
Schwager aus der Reihe tanzt. Er ist ein Hohenzoller und hat seinem
König zu gehorchen.«
»Seinem König?«
Friederike erhob sich empört.
»Mein Mann ist ein freier Reichsfürst.«
»Papperlapapp.«
Jetzt schlugen die königlichen Fingernägel Stakkato.
»Wir brauchen, ich wiederhole, wir brauchen«, Friedrichs
wasserblaue Augen fixierten die dunkleren seiner Schwester, »Ansbach
als Bündnispartner gegen Österreich und den Kaiser.«
Friederike setzte sich wieder und wandte scheinbar ruhig ein:
»Aber ich dachte, Schlesien ist Ihnen vertraglich garantiert.«
Dem König entging nicht das Lauernde in ihrer Stimme.
»Nichts ist garantiert, alles ist Kampf, ständig und immer
wieder.«
Wieder stellte Friederike verblüfft fest, dass der Mund ihres
Bruders tatsächlich aus seinem Gesicht verschwinden konnte.
»Es wird also erneut
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