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Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Titel: Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
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auf der anderen Seite in das kleine, bewaldete Tal hinunter. Irgendwann rastete sie an einem stillen Waldsee, der vor dem tiefblauen Himmel ihr eigenes Bild widerspiegelte. Wie alt war sie? Neun oder zehn Winter? Sie wusste es nicht und vielleicht war es auch gar nicht so wichtig. Sie wusste nur, dass sie unschuldig war, voller Schönheit, Freude und Staunen.
    Wieder stieg der Pfad hinauf; sie folgte ihm, wie immer - neugierig zu erfahren, was sich dahinter verbergen mochte. Und das war der Moment, in dem sich für sie jedes Mal ein neues Geheimnis eröffnete.
    Sie erreichte den Gipfel und blickte in die Talsenke hinunter, die mit einem schweren Nebelteppich angefüllt war. Auf der anderen Seite sah sie den Pfad zum nächsten grasbewachsenen Hügel hinaufsteigen - und dort oben bewegte sich eine Gestalt, die ihr zuwinkte. Sie hielt einen Moment inne. Der Nebel lag wie ein drohendes Meer vor ihr, das sie mit dunklen Ahnungen und Zweifeln erfüllte. War der Pfad unter ihren Füßen derselbe, der auf der anderen Seite wieder herausführte? Oder würde sie irgendwo dort unten blicklos in die Irre geleitet, wenn sie weiterging? Wieder winkte ihr die Gestalt zu, doch dieses Mal verspürte sie plötzlich Freude und Sehnsucht. Was hatte sie schon zu befürchten? Nichts. Sie rannte in die dichte Nebelbank hinunter.
    Kaum schloss sich das Weiß um sie, verlor die Zeit jede Bedeutung. Sie fühlte, dass sie gerade erst in den Nebel getreten war, und doch schien es ihr, als hielte er sich schon seit einer Ewigkeit gefangen. Der Pfad unter ihren Füßen führte weiter und das verlockende smaragdgrüne Gras, das ihn einrahmte, würde sie unweigerlich in die Irre leiten, wenn sie es beträte.
    Auf beiden Seiten tauchten undeutliche Gestalten wie flüchtige Schattenrisse auf und versuchten ihre Aufmerksamkeit zu bannen - manche waren von atemberaubender Schönheit, andere schienen dunkel und bedrohlich und doch weckten gerade sie ihre Neugier. Sicherlich konnte sie einen winzig kleinen Schritt auf das Gras wagen, wenn sie nur den Pfad immer im Auge behielt ...?
    Unter ihren nackten Füßen fühlte sich das Gras kühl und erfrischend an. Junge Mädchen, in Frühlingsfarben gekleidet, griffen nach ihren Händen und zogen sie in ihren Reigen. Ihre Stimmen klangen wie das Lied einer leichten Brise im Flussschilf und mischten sich mit dem Plätschern einer kleinen Gebirgsquelle. Ein schöner, junger Mann schloss sich dem Tanz an, nahm Aranthia in seine Arme und wirbelte sie im Kreis herum, bis sie jedes Gefühl für Richtung verlor. Einen Augenblick später war er verschwunden und sie war allein. Doch aus dem Nebel ragte ein Turm in die Höhe. Sie trat ein; ein langer Gang führte geradewegs auf ein weit entferntes helles Licht zu. Sie folgte dem Gang, doch im selben Moment begann er sich zu biegen und wenden. Sie sah das Licht nicht mehr vor sich - und als sie sich umdrehte, schien der Tunnel den Eingang verschluckt zu haben.
    Sie war umgeben von vielen weiteren Gängen und Schächten, die in alle nur denkbaren Richtungen führten, und wusste nicht, für welchen davon sie sich entscheiden sollte. Wohin wollte sie denn eigentlich? Sie versuchte sich die winkende Gestalt in Erinnerung zu rufen, die auf dem Hügel im hellen Sonnenlicht getanzt hatte, aber es gelang ihr nicht mehr. Panische Angst stieg in ihr aufjagte Hitzewellen über ihren Körper, die die Kälte der feuchten Luft auf ihrer Haut vertrieben. Sie drehte sich langsam und erblickte immer wieder neue Pfade, die sich vor ihr eröffneten, doch alle sahen gleich aus. Wieder musste sie sich entscheiden.
    Plötzlich kam ihr ein verwegener Gedanke: Was wäre, wenn all diese Pfade ein und derselbe wären? Instinktiv ahnte sie, dass es so sein musste. Sie spürte neues Selbstvertrauen, entschied sich für einen beliebigen Pfad und ging darauf zu. Schon nach wenigen Herzschlägen erblickte sie das ferne Licht wieder, und als sie auf den Ausgang zuging, erkannte sie den vertrauen, alten Pfad - und trat in die Sonne hinaus.
    Die Gestalt rannte mit ausgebreiteten Armen auf sie zu: ein junges Mädchen, ungefähr in ihrem Alter. Ihr Gesicht erschien ihr angenehm vertraut.
    »Aranthia, erkennst du mich denn nicht mehr?«
    »Ich kenne dich, aber ich weiß nicht woher«, antwortete Aranthia.
    »Ich bin Tarai. Erinnerst du dich jetzt?«
    »Tarai! Ja, natürlich! Wie konnte ich nur ...«
    »Mein Körper war alt, als du mich zuletzt sahst. Jetzt bin ich von ihm befreit.«
    »Aber du bist kein

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