Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
Atmosphäre.
Am späten Nachmittag begann sich die Gruppe aufzulösen. Als die Sonne hinter einer dunklen Wolkenwand verschwand, die sich am Horizont drohend zusammengezogen hatte, kehrten die fünf Freunde in die Stadt zurück.
»Ich schicke Rihscha mal zum Hafen hinüber, um zu sehen, was dort los ist«, sagte Alduin, als sie sich dem Stadttor näherten. Er ließ den Falken fliegen und blieb hinter den anderen zurück, um sich auf die Bindung mit Rihscha zu konzentrieren.
... sie hockte in einem geschützten Felsspalt und nahm überrascht die seltsamen Gefühle wahr, die durch ihren uralten Körper liefen ... da war Furcht, aber von einer ganz anderen Art, als sie sie jemals verspürt hatte ... ahnungsvolle, bange Furcht, die von der verhüllten Gestalt vor ihr verursacht wurde ... hinter ihr schimmerte der fast durchsichtige Nebelvorhang wie ein früher Morgendunst ... sie hatte bemerkt, wie er sich bewegte und streckte, hatte gesehen, dass er sich veränderte ... sie empfand tiefe Furcht, dass er sich auflösen würde, aber sie verstand nicht, was es bedeutete ... und als ihre scharfen Augen durch den Vorhang zu dringen versuchten, sah sie, wie sich eine große, königliche Gestalt formte und sich schließlich in eine bezaubernde Frau verwandelte ... und die bange Ahnung, die in der Luft lag, wurde immer deutlicher spürbar, grenzte bald an körperlichen Schmerz ... das Herz des Falken begann wild zu schlagen ...
Alduin riss sich gerade noch rechtzeitig aus der Bindung. Zitternd machte er sich klar, dass er beinahe wieder in das Schicksal eines Falken hineingerissen worden wäre. Kurz darauf landete Rihscha laut und aufgeregt schreiend auf seiner Hand.
»Was hast du gesehen?«, fragte Erilea erschrocken. Kein Zweifel, dass Alduin wieder von einer Vision überwältigt worden war. »Du bist so bleich wie der Rehmond und zitterst wie ein Espenlaub. Und Rihscha ist völlig verstört!«
Rael, Kirstie und Silya waren vorausgegangen und in ihr Gespräch vertieft. Alduin war erleichtert - nur Erilea hatte bemerkt, dass etwas Seltsames, Beunruhigendes geschehen war.
»So knapp ... so knapp ...«, murmelte er. »Wusste nicht, dass sie vor Furcht sterben würde ... aber sie war auch schon alt ... ihr Herz war schwach ...«
»Alduin! Wovon um Emos Willen redest du da?«
Alduin schaute sie verwirrt an, als habe er ihre Frage nicht verstanden. Er schüttelte den Kopf, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Mechanisch streichelte er Rihschas Brustfedern, was nicht nur das Tier, sondern auch ihn selbst beruhigte. Er sprach so leise weiter, dass Erilea ihn kaum verstehen konnte.
»Ich bin beinahe wieder in den Tod eines Falken hineingezogen worden.«
Erilea sog scharf die Luft ein. »Aber Alduin ...«
»Ich weiß, ich weiß. Dieses Mal war es sehr knapp, aber ich hab's geschafft, mich gerade noch rechtzeitig von ihr zu trennen. Komm, reden wir nicht mehr darüber. Und erzähle den anderen nichts davon!« Er blickte sie flehend an. »Bitte!«
»Mach ich auch nicht. Ich bin so froh darüber, dass es nicht bis zum Ende gegangen ist.«
»Da war noch etwas. Ich glaube, ich habe den Nebelvorhang am Arnad-Fluss gesehen, aber ich bin nicht sicher. Eine Gestalt drang durch den Vorhang ... eine sehr schöne Frau. Und eine verhüllte Gestalt erwartete sie.«
»Eine schöne Frau!«, rief Erilea aufgeregt. »Alduin, vielleicht war es Gaelithil! Sie hat den Nebelvorhang erschaffen. Wie seltsam ...« Sie brach ab, als sie seine düstere Miene sah.
»Sie war sehr schön«, erklärte er, »aber es lag so viel Angst in dem Bild. Sie war schön, aber ich glaube, sie war böse. Bestimmt war es nicht Gaelithil ...«
»Hast du eine Ahnung, in welcher Zeit das passiert ist? Jetzt, in der Zukunft, in der Vergangenheit?«
»Nein. Ziemlich nutzlose Geschichte, nicht wahr? Da hab ich eine Vision, aber kann sie zeitlich nicht einordnen. Was soll ich jetzt machen?«
Erilea dachte wie immer praktisch. »Es ist schon ziemlich spät und ein Sturm kommt auf. Ich denke, wir begleiten Kirstie zu ihren Gemächern zurück und dann besuchen wir deine Mutter. Vielleicht fällt ihr etwas dazu ein.«
»Gut, aber wir erwähnen nicht, dass der Falke starb. Kein Ton davon! Vergiss es einfach. Sie hat so eine Art, schon den kleinsten Hauch eines Problems zu riechen.«
»Die Vision ist wichtig, wir konzentrieren uns darauf«, nickte Erilea.
Rael hatte durch Sivellas Augen den heraufziehenden Sturm beobachtet, der weit draußen den wütenden
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