Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
Betten fielen. Draußen begrüßten die Vögel den neuen Tag mit ihrem eigenen fröhlichen Gesang. Glücklicherweise sollte die Reise nach Norden erst am Abend beginnen. Kurz bevor Alduin zufrieden einschlief, fiel ihm noch ein, dass er sich bald von seinen Freunden verabschieden müsse. Schläfrig fragte er sich, wo Malnar wohl die ganze Nacht gewesen war; er hatte den Onur während der ganzen Festlichkeiten nirgendwo ... Und schon war er eingeschlafen.
Malnar hatte den ganzen Abend im Gespräch mit seiner Muse verbracht. Sie hieß Narvalla, wie er ihr entlockt hatte. Obwohl sie ihm nur wenig über ihr Leben enthüllte, hatte sie ihm erklärt, dass sie bei einem recht ungebildeten Volk mit wenig Sinn für die Schönheiten dieser Welt lebte; sie gestand, dass sie sich danach sehne, von ihrem Volk wegzuziehen. Das bot Malnar die Gelegenheit, sie zu fragen, ob es keine Möglichkeit gebe, sich zu treffen. Sicherlich würde man sie in Nymath willkommen heißen und die Einwohner von Sanforan würden ihr mit Ehrerbietung und Bewunderung entgegentreten. Als er die Tränen in ihren Augen sah, brach ihm fast das Herz.
»Ich fürchte, um das herbeizuführen, ist weitaus mehr Zauberkraft nötig, als ich allein sie besitze.«
»Aber vielleicht können wir beide es gemeinsam bewirken?«, antwortete er dennoch hoffnungsvoll. »Ich habe schon so viel gelernt. Schau nur, wie ich dieses Fenster zu deiner Welt geöffnet habe!«
»Das ist richtig«, stimmte sie zu. »Du bist auf dem besten Weg, große Macht zu erlangen, und wie ich dir schon gesagt habe, wird man bald ein sehr bedeutungsvolles Zeichen sehen. Wer weiß, was geschehen würde, wenn wir beide ...« Sie führte den Satz nicht zu Ende und senkte bescheiden den Blick. Malnars Herz schlug heftig.
Bardelph begleitete Aranthia zum Gasthof zurück. Arm in Arm gingen sie langsam durch die Straßen, nur ab und zu begegneten ihnen Vereinzelte, die auch bis zum Schluss gefeiert hatten und sich nun müde nach Hause schleppten.
»Du willst also die Nebelsängerin nach Norden begleiten?«, fragte Aranthia völlig unerwartet, als sie den Torbogen erreichten, der zum Innenhof des Gasthauses führte.
Bardelph konnte seine Überraschung nicht verbergen. »Woher weißt du das?«
»Ich hatte keine Vision, falls du das glaubst«, antwortete sie lächelnd. »Das ist einfach nur weibliche Intuition und Einsicht.«
Sie wandte sich ihm zu, griff nach seinen Händen und zwang ihn sanft sie anzublicken. Seine Verwirrung war offensichtlich und brachte sie zum Lächeln; dann legte sie ihm zärtlich die Hand an die Wange.
»Bardelph ... Was wäre gewesen, wenn ... was hätte ich nur ohne dich getan ... nun, ich meine, seit du an unserem Landesteg angelegt hast?«
»Ich ... äh ...« war alles, was Bardelph hervorbrachte - ein nervöses Räuspern.
»Ich weiß, was du fühlst«, flüsterte sie. »Aber ich weiß auch, dass du deine Freiheit brauchst. Du brauchst Abstand und ein wenig mehr Zeit.«
Sie legte ihm auch die andere Hand an die Wange, hielt sein Gesicht sanft in ihren Händen und sah ihm tief in die Augen.
»In deinem Leben gibt es genug Platz für alles«, sagte sie leise.
Es war, als habe eine wunderbare Zauberkraft alle Verwirrung aus seinen Gedanken vertrieben. Der Raide nahm Aranthias Gesicht in die Hände, neigte sich zu ihr hinab und küsste sie. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss.
Alduin und seine engsten Freunde trafen sich zu einem späten Mittagessen, das vor allem aus den Überresten des Festtagsmahls bestand. Zusammen mit einer dampfenden Tasse Calba eignete es sich bestens dazu, die zähe Schläfrigkeit zu vertreiben und die gute Stimmung vom Vorabend in Erinnerung zu rufen.
»Habt ihr schon gepackt?«, fragte Erilea Rael und Silya. »Habt ihr auch genug warme Kleidung? Sobald ihr das Gebirge erreicht, werden die Nächte ziemlich kühl.«
»Jungfer Calborth hat an alles gedacht. Sie kann unmöglich geschlafen haben.« Rael grinste, was selten vorkam. »Glücklicherweise haben wir einen Wagen für den ersten Teil der Reise und Maultiere für später.«
»Ihr habt euren ersten Feldeinsatz vor Euch!«, sagte Alduin in freundlich-neidischem Ton. »Du und Sivella, meine ich ... und natürlich auch Silya«, fügte er schnell hinzu und lächelte die Wunand- Amazone an.
»Und wir begleiten die Nebelsängerin!«, nickte Silya. »Was für eine einmalige Gelegenheit.«
»Und was für eine Verantwortung ...«, fügte
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