Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
ein paar Tagen verkündet habt?«, fragte Bardelph. »Ich dachte eigentlich, zumindest Meister Torm hätte es wissen müssen, schließlich ist das eines seiner Fachgebiete.«
»Vielleicht deshalb, weil es noch nie vorgekommen ist«, meinte Malnar. »Er wusste eben nicht, wonach er suchen musste.«
»Aber Ihr wusstet es?« Bardelph konnte einen ungläubigen Ton in seiner Stimme nicht unterdrücken.
»Vergesst nicht, dass ich auch ein Seher bin«, gab Malnar stolz zurück. »Mir sind Einsichten möglich, die anderen vielleicht verwehrt sind.«
»Aber Einsichten können auch in die Irre führen«, entgegnete Bardelph barsch, dem Malnars Angeberei allmählich zu viel wurde. »Seid Ihr denn überhaupt sicher, dass es stattfindet?«
Doch Malnar ließ sich nicht reizen; er lächelte nur nachsichtig - ein Lächeln, das besagte, dass er, und nur er, über geheimes Wissen verfügte. Andächtig flüsterte er: »Oh, habt keine Sorge, es wird stattfinden. Und es wird ein wahrhaft unvergessliches Erlebnis.«
Weiter hinten unterhielten sich der Elb und die jungen Freunde ebenfalls über das Verschwinden des Kupfermonds.
»Wenn beide Monde voll am Himmel stehen, ist das Licht weicher«, erklärte Silya der Nebelsängerin. »Die kupferrote Farbe des Kitzmonds verändert das Licht des Rehmonds. Jetzt ist es ganz anders als sonst. Es wirkt irgendwie dramatisch, findest du nicht auch?«
»Ganz ähnlich sieht der Mond bei uns über den Highlands aus«, sagte Kirstie. »Euren Kupfer ... Kitzmond hier habe ich kaum gesehen.«
Silya spürte ihre Verwirrung und erzählte ihr eine Sage der Wunand, nach der der Rehmond immerzu versucht den Goldenen Hirsch - die Sonne - einzuholen, der über den Himmel springt. Eines Tages hatte das Reh es tatsächlich geschafft und die beiden verbrachten eine gewisse Zeit miteinander. Als sie sich wieder trennten, wurde der Kitzmond geboren.
Die Nebelsängerin klatschte fröhlich in die Hände. »Was für eine hinreißende Geschichte! Ich werde sie meiner Tochter erzählen ... wenn die Zeit gekommen ist ...«
»Meister Torm erklärte uns, dass das Zusammensein von Hirsch und Reh eigentlich eine Sonnenfinsternis gewesen sei«, fühlte Rael sich verpflichtet hinzuzufügen. »Es ist nicht bekannt, warum der Kupfermond nicht immer am Himmel zu sehen war. Der Grund ist vermutlich, dass die beiden Monde sehr unregelmäßige Umlaufbahnen haben.«
»Mir gefällt die Sage der Wunand entschieden besser«, sagte Silya ein wenig gereizt.
»Ich ... ich wollte nicht sagen, dass die Sage nicht erzählt werden darf ...«, stotterte Rael, der nicht beabsichtigt hatte sie zu verärgern. »Aber es ist doch eben nur ... eine Sage, nicht wahr?«
»Streitet euch nicht«, mischte sich Celeberin ein. »Die Sage ist es wert, erzählt zu werden, selbst wenn man herausfindet, wie es sich wirklich verhält. Beide Erklärungen haben ihren eigenen Zauber.«
Rael und Silya lächelten ihm zu, dankbar für seine Worte. Dann meinte Rael: »Ich sehe mal nach, wie es Sivella geht. Sie ist noch nie in einem Wagen gereist.«
Silya blickte ihm kopfschüttelnd nach. »Bei Emo, warum muss er alles so ernst nehmen?«
»Das ist seine Natur«, antwortete Celeberin. »Warum willst du ihn denn verändern?«
»Ich weiß nicht ... Aber ich finde es schade, dass er nicht alles ein wenig leichter nehmen kann.«
»Vielleicht sollte man die Kräfte der Natur doch nicht so leicht nehmen«, sagte der Elb. »Sie hat viel Einfluss auf unser Leben. Das Schicksal der Elben von Nymath wurde durch einen Sturm entschieden. Wir verloren unseren Weg und nun müssen wir warten, bis unser Leitstern zurückkehrt.«
»Sehnt Ihr Euch nicht nach Eurem früheren Zuhause?«, fragte Silya. Sie sah, dass auch Kirstie völlig gebannt dem Gespräch lauschte.
Celeberin lächelte traurig und blickte versunken in die Ferne. Wir haben beides verloren: Die Heimat, die wir verließen, und die Heimat, zu der wir segeln wollten.«
»Also waren die Elben sehr tief enttäuscht darüber, in Nymath zu stranden?«, fragte Kirstie.
Celeberin dachte eine Weile über die Frage nach. »Ich bin sicher, dass es zunächst so war, aber später änderte sich das. Die Elben messen die Zeit anders als die Stämme der Menschheit. Wir wissen, dass wir nicht für immer hier bleiben werden, selbst wenn noch viele eurer Generationen vergehen. Aber solange wir hier sind, sehnen wir uns deshalb nicht nach einem anderen Ort. Wenn die Zeit kommt, kann es sogar sein, dass wir traurig sind
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