Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
der Tag wird kommen, an dem Nymath in große Gefahr gerät. Dann wird das Land einen Falken brauchen, der meinen Pfeil einfängt, wenn es gerettet werden soll«, sagte sie, nahm ihren mächtigen Bogen von der Schulter und schoss einen Pfeil ab, der hoch in den Himmel stieg und aus ihrem Blickfeld verschwand. Sie lachte Gilian an und lief behände davon. Der Gott lief ihr nach; aber sie war eine schnelle Jägerin und wusste, dass sie selbst bestimmen konnte, wann er sie einholen durfte ...
Malnar rollte das Manuskript zusammen und gab es Tarai zurück. »Das ist ziemlich genau das, was darin geschrieben steht.«
Alle schwiegen und warteten, dass Tarai etwas sagte.
»In der Tat - hier gibt es eine Verbindung zu Emo und Gilian, was mir bestätigt, dass die Geschichte auch etwas mit Alduin zu tun haben muss.«
»Warum denn das, Madi?«, fragte Alduin höflich.
»Dein Vater ist ein Raide und deine Mutter eine Wunand, mein Kind. Gilian und Emo sind die Götter, die von diesen beiden Stämmen verehrt werden«, antwortete sie.
»Oh. Natürlich«, sagte er, verlegen über seine Unwissenheit. »Ich wollte Euch nicht unterbrechen ...«
»Ich glaube nicht, dass es deine Bestimmung ist, einen Pfeil einzufangen, falls du dir so etwas vorstellst«, fuhr die Madi fort. »Ich denke, die Worte der Göttin sind eher symbolisch gemeint.«
»Und in welcher Gefahr befindet sich Nymath in diesem Augenblick?«, fragte Aranthia. »Natürlich hat der jüngste Sturm viel Zerstörung angerichtet, aber auf solche Ereignisse wird sich die Sage doch sicherlich nicht beziehen.«
»Nein, da hast du Recht«, stimmte Tarai zu. »Emo war zornig, weil sich die Elben in ihre Angelegenheiten eingemischt hatten, wie sie glaubte, deshalb wollte sie beweisen, wie wichtig sie war.«
»Aber der Pfeil könnte eine Bedeutung haben«, warf Malnar ein. »Vielleicht ein Zeichen in den Sternen?«
»Der Pfeil könnte auch ein Falke sein«, meinte Alduin schüchtern. »Auch sie fliegen schnell und gerade.«
»Ja, ja, der Pfeil könnte vieles bedeuten«, nickte Tarai. »Ich denke, wir können den ganzen Tag darüber rätseln, ohne der Wahrheit näher zu kommen.«
»Was also sollen wir tun, Madi?«, fragte Aranthia.
»Das, was man immer tun sollte! Loslassen! Und die Augen, Ohren und alle Sinne offen halten!«
Ihr Blick glitt von einem zum anderen und es war, als sähe sie tief in ihre Herzen. »Wir alle ahnen, dass vor Alduin ein bestimmter Weg liegt und dass er eine Aufgabe zu erfüllen hat. Er muss wissen, dass wir ihm dabei helfen werden.«
»Aber wenn die anderen Jungen im Falkenhaus davon erfahren, wird mir wohl niemand helfen«, warf Alduin ein. »Es ist schon jetzt schlimm genug. Manche scheinen Angst vor mir zu haben, andere erstarren vor Ehrfurcht.«
»Wir brauchen niemandem davon zu erzählen«, versicherte ihm Aranthia. »Du musst selbst bestimmen, wem du vertrauen willst, und ich werde nur Calborth und Bardelph einweihen. Wir müssen dafür sorgen, dass du die gesamte Ausbildung erhältst.«
»Ja, richtig«, stimmte Tarai zu. »Lerne, soviel du kannst. Ich denke, Malnar kann dir helfen deine Visionen zu steuern. Zuerst müssen wir herausfinden, ob deine Gabe nur mit den Falken zusammenhängt oder ob da noch mehr ist. Was meinst du, Malnar?«
»Wie Ihr wünscht, Madi. Es wäre mir eine Ehre, Alduin zu helfen, so gut ich kann«, antwortete der Onur mit bescheidenem Lächeln, aber das Glitzern in seinen Augen verriet, wie sehr er sich freute.
»Gut, dann ist das besprochen. Aranthia, bitte rede mit Calborth, damit Alduin die Erlaubnis erhält, zu bestimmten Zeiten hier mit Malnar zusammen zu sein.«
Sie wandte sich wieder Alduin zu und griff nach seinen Händen. »Mein letztes Wort gilt dir, Alduin, denn du bist die Hauptperson. Du musst dich deiner Angst stellen. Lass nicht zu, dass sie dir Grenzen setzt. Wir können Menschen, die wir lieben, nur wirklich nahe sein, wenn wir ihnen alles geben, was wir sind - ohne etwas zurückzuhalten.«
Er nickte still.
Nach diesen Worten legte sich Schweigen über die kleine Gruppe; die Begegnung war offensichtlich zu Ende. Alduin und Aranthia umarmten Tarai zum Abschied und folgten Malnar die Treppe hinunter zur Haustür.
»Ich warte auf eine Nachricht, wann du kommen kannst«, sagte er mit eifrigem Lächeln zu Alduin. »Ich bin sicher, dass wir gut miteinander auskommen werden.«
Sie versprachen ihm, dass Alduin in ein oder zwei Tagen wieder kommen würde, und machten sich auf den Rückweg zum
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