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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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gequälten Grunzen fiel er zurück in den Sessel. Ich war überzeugt, buchstäblich den Auszug von Lord Stonehouse’ Seele aus seinem Leib zu erleben. Ebenso schien es Dr. Latchford zu ergehen, der im Interesse der Naturwissenschaft seine Furcht überwand, nach seiner Brille tastete und aufgeregt durch eine zersplitterte Linse blinzelte.
    »Wir sind Zeugen«, flüsterte er ehrfürchtig, »des Übertritts vom Leiblichen zum Geistigen.«
    Die Gestalt sank herab, kam mühsam erneut in die Höhe, um dann, in einer plötzlichen, undeutlichen Bewegung, nach oben zu schießen. Jedermann keuchte auf und zog den Kopf ein. Auf das Bett spähend, sahen wir, dass der Luftzug der Bewegung die Kerzen hatten aufflackern lassen. Das hellere Licht offenbarte, dass es sich bei dem Geist um das Bettlaken handelte, in dem Lord Stonehouse’ Hände sich verfangen hatten und mit dem er wütend kämpfte. Mit einem Ruck riss er den rechten Arm hoch und schlug dem Priester das Gebetbuch aus der Hand.
    »Horseborne!«, schrie er mit dem kraftlosen Überbleibsel seiner alten Stimme.
    Seine Augen blieben geschlossen. Ein Bediensteter kroch umher, um eine Kerze aufzusammeln, die er umgestoßen hatte. Es herrschte Stille, bis auf Lord Stonehouse’ mühevollen Atem, knisternd wie abgestorbene Blätter.
    »Totes Kind«, murmelte er. Wieder hob er die Hand so unvermittelt, dass der Priester zurückweichen musste. »Pestbrief.« An seiner zur Faust geballten Hand sah ich den Siegelring mit dem Falken funkeln, eher er ihn auf das Laken presste, als würde er das Siegel in geschmolzenes Wachs drücken. Er mühte sich, die Augen zu öffnen, die von einer Art Ausfluss verklebt waren. Der Bedienstete eilte herbei und wischte sie sauber. Lord Stonehouse stieß ihn fort. Er riss die Augen auf und richtete den anklagenden Blick auf den Priester.
    »Kein Frieden … ich habe ihn gesehen. Gerade eben. Der Junge. Jetzt eben … dort drüben. Ihr habt versprochen … er sei fort … Ihr hättet ihn beseitigt.« Er stemmte sich vom Kissen hoch, und in dem plötzlichen Wortschwall schwang ein Echo seiner alten Stärke und Reizbarkeit mit. »Der Bastard ist immer noch da! Wofür zahle ich Leute wie Euch eigentlich, hm? Eure Zehntabgaben, Eure reichen Pfründe, und dann könnt Ihr noch nicht einmal einen erbärmlichen Jungen loswerden?«
    Erschöpft sank er zurück und schloss die Augen. Der Priester legte seine Hand auf die immer noch geballte Faust des sterbenden Mannes. »O Herr, wir flehen dich an, gib diesem Mann die innere Kraft, damit er, ehe er geht …«
    Hastig wich er zurück, als die Hand erneut emporschoss und mit einem zittrigen Finger auf mich deutete. »Seht! Dort ist er. Schleudert ihm Eure Worte entgegen!«
    »Mylord, er ist wirklich hier.«
    »Ein echter Geist?« Lord Stonehouse stöhnte. »Dann bin ich erledigt, vollkommen erledigt.«
    Ich rannte nach vorn, vorbei am entrüsteten Priester, und schlang meine Arme um den alten Mann. Der Gestank von verfaulendem Fleisch und Schweiß vermengte sich mit dem übelkeitserregenden, süßlichen Geruch des Weihrauchs und überwältigte mich beinahe. »Ich bin hier. Ich lebe … ich bin … ich bin …« Meine aufsteigenden Tränen beschämten und überraschten mich.
    »Er lebt?« In seiner Stimme schwang noch ein Hauch seiner alten Verachtung mit. »Ich will keinen Bastard in dieser Familie. Werft ihn hinaus!«
    Richard berührte mich am Arm, Mr Cole tauchte drohend auf der einen Seite auf, ein Bediensteter auf der anderen. Sie zögerten, als Lord Stonehouse erneut zu sprechen begann.
    »Er lebt?« Seine Hand, glühend heiß, die Haut trocken wie Pergament, strich über mein Gesicht und verharrte an meiner Hakennase. »Der Junge ist ein Stonehouse«, murmelte er. »Auf jeden Fall. Daran besteht gar kein Zweifel.«
    In einem Moment unvermittelter Klarheit setzte er sich auf, der Blick arglistig wie eh und je, dazu grübelnd, als sähe er gerade von den Papieren auf seinem Schreibtisch auf. »Ihr seid also alle hier?« Sein rauer, stockender Atem strafte die Schärfe in seinem Blick Lügen. »Sohn, Schwiegertochter, Doktor, Advokat, Priester – jeder hat geglaubt, ich würde sterben.« Er lachte hustend über die schockierte Miene des Priesters. Ein alter Diener mit gebeugtem Rücken reichte ihm einen Trunk. Seine Hand zitterte ebenso sehr wie die seines Herrn.
    »Du solltest mitkommen und mir Gesellschaft leisten, Joseph«, sagte Lord Stonehouse. Er lachte erneut und nahm einen kleinen

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