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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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Bewegung. Seine Gesichtszüge verzerrten sich und brachen wie Pergament, doch der Schmerzensschrei war lautlos. Der Anfall wurde heftiger. Richard streckte den Arm nach ihm aus, ergriff eine Hand, während ich die andere nahm. Endlich glätteten sich die Falten in seinem Gesicht, und er schlug die Augen auf.
    »Familientreffen … endlich«, brachte er mit der Andeutung eines Lächelns hervor.
    »Ihr kennt … meine Wünsche …«
    Er rang nach Luft. Es war, als würde eine gewaltige Schraubzwinge ihn zusammendrücken. Sein Leib versetzte mir einen Stoß, als er sich aufbäumte wie ein in Panik geratenes Pferd. Wir fingen ihn auf, als seine heftigen Bewegungen ihn beinahe aus dem Bett warfen. Immer wieder ballte er die Hand mit dem Siegelring, bis sie sich ganz langsam schloss. Sein Blick wurde starr.
    Dr. Latchford beugte sich über ihn, dann nickte er dem Priester zu.
    »Allmächtiger Gott, jetzt, wo er von seinem irdischen Gefängnis erlöst ist … empfehlen wir dir in Demut seine Seele …«
    Ich stand wie betäubt und hörte ihn kaum. Ich war überzeugt, der Arzt habe einen Fehler gemacht und in diesen starr blickenden Augen würde es ironisch aufblitzen. Plötzlich war ich erfüllt von den Dingen, die ich ihm hätte sagen wollen und die uns einander nähergebracht hätten. Ich spürte immer noch seinen Griff, die Fieberhitze, die von seiner Hand in meine strömte, und Richards Nähe. Familientreffen. Er hatte uns zusammengeführt, und das würde ihn wiederbeleben, dessen war ich sicher. Es war seine letzte List, sein abschließender Trick.
    »Lehre uns, die wir überleben«, fuhr der Priester fort, »die Lektion der Sterblichkeit, zeige uns, wie schwach und ungewiss wir sind, auf dass wir unser irdisches Verlangen vergessen und unerschütterlich unsere Herzen den himmlischen Dingen zuwenden …«
    Die Seiten mit dem Testament, die Mr Cole geschrieben hatte, flatterten unbeachtet vom Tisch, als der Priester aufstand und sich im Gebet verneigte. Die Bediensteten taten es ihm gleich. Ich fühlte mich Anne verbunden, als sie sich bewegte, fühlte mich mit allen verbunden, die das Bett umstanden. Selbst Hanmer stand reglos daneben, sein gichtkranker Fuß war vergessen. Die flackernden Kerzen warfen Schatten auf unsere ehrfürchtigen Gesichter. Geraldines inbrünstiges »Amen« war unter allen anderen herauszuhören. Erst als Dr. Latchford Lord Stonehouse’ Augen schloss, begriff ich, dass es keine List war. Ich würde ihm niemals die Dinge sagen können, die ich ihm hätte sagen wollen und die ich mit einer plötzlichen Klarheit erkannt hatte, als er noch am Leben war. Ich warf mich auf ihn, weinte bitterlich und unbeherrscht. Ich vergaß alles, was er mir angetan hatte. Alles, was ich sah, war sein Gesicht, als er mich am Hafen aufgehoben hatte, seine besorgte Miene. Ich presste meinen Kopf an seinen Leichnam, überwältigt nicht von seinem Gestank, sondern vom süßlichen Geruch des sirupartigen London Treacle. Hände versuchten mich fortzuziehen. Ich klammerte mich an ihn, bis zwei Diener mich fortzerrten.
    Der Priester sah mich voller Widerwillen an. »Ich weiß, was Ihr empfinden müsst, mein Sohn. Aber Ihr müsst Euch mit Eurem Verlust abfinden.«
    Er blickte auf die Seiten des halbfertigen Testaments, die Mr Cole aufsammelte. Er glaubte, das sei der Grund für meinen Kummer.
    Hanmer, dessen gichtiges Humpeln wieder da war, zuckte die Achseln und murmelte. »Vergeudetes Papier. Unfertig. Unsigniert. Ungültig.«
    In ihrem Eifer, die Worte zu verstehen, vergaß Geraldine jegliches Gefühl für Schicklichkeit und beugte sich über den Leichnam, um die Worte des Mannes zu verstehen.
    »C’est quoi ›ungültig‹?«
    »Non valable«, erwiderte Richard.
    Geraldine klatschte jubelnd in die Hände und hob ihren Blick zum Himmel. »Dieu est Catholique!«
    »Hier ist Gott ein Protestant, Madame«, rief der Priester.
    Anne stritt mit Hanmer. »Ich habe ihn gehört! Wir alle haben ihn sagen hören, wie seine Wünsche lauten!« Hanmer erklärte ihr, dass, selbst wenn das Testament unterschrieben worden wäre, Lord Stonehouse zu diesem Zeitpunkt bereits den Verstand verloren hatte. Ich mühte mich, sie zum Fortgehen zu bewegen, aber sie war so außer sich, dass sie nicht zuhörte. Immer wieder drängte sie mich, etwas zu unternehmen. In ihrer Verzweiflung versuchte sie sogar, Mr Cole das unvollständige Testament zu entwenden. Nur der alte Diener, Joseph, kümmerte sich um seinen Herrn, zog die Laken glatt,

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