Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Er wäre der Erste, der unter Verdacht geriete. Und er weiß besser als jeder andere, wie sehr das Volk an seinem König hängt.«
»Glaubt Ihr das?«
Ich dachte an die jubelnden Massen auf dem Ritt der Freiheit, an den Andrang und die grünen Zweige vor ihm in den Dörfern, an die hundert Freudenfeuer, die in Cambridge vorbereitet worden waren, ehe die Parlamentstruppen uns aufgehalten hatten. »Ja«, sagte ich knapp, »das glaube ich.«
Obgleich im Raum eine feuchte, klamme Kälte herrschte, glänzte der Schweiß auf seiner Stirn. Zuerst hatte er versucht, mich zu töten. Dann hatte er mich benutzt. Jetzt brauchte er mich zum ersten Mal, falls er die Wahrheit sagte. Es musste einen Haken geben, irgendeine Karte in der Hinterhand, die er unerwartet ausspielen würde, aber ich konnte mir nicht vorstellen, was das sein sollte. Er hatte bekommen, was er wollte. Er hatte Highpoint, mitsamt der Macht und den Reichtümern, die dazugehörten.
»Sagt mir, was Ihr wisst«, sagte ich.
Nun war es an ihm, zu zögern. Aufgewühlt schritt er im Raum umher, ehe er mir widerwillig von einem royalistischen Spionagenetz berichtete. Er nannte keine Namen, gab indes genug preis, um zu zeigen, dass er über einige Versammlungen im The Bull and Mouth bestens informiert war. Er wusste von der geheimnisvollen Splittergruppe, in der man argumentierte, es sei zwecklos, mit einem Mann des Blutes zu verhandeln, dieser Mann gehöre vor Gericht gestellt. Ich dachte an den Mann, der in der Nacht die Gun Press beobachtet hatte, als Ellie und ich zum ersten Mal miteinander schliefen, und an das anschließende Gefühl, verfolgt zu werden.
»Habt Ihr auch mich ausgespäht?«
»Natürlich.«
»Ein gewisser Fortschritt, nehme ich an. Ihr lasst mich nicht mehr beschatten, um mich zu töten, sondern um Informationen zu bekommen.«
Ich hörte Annes Stimme in der Halle, die fragte, wo ich sei, und wandte mich zum Gehen. Richard zog ein Stück Papier aus der Tasche. Ich hielt es ins Licht einer Kerze. Es war an den König in Hampton Court gerichtet und trug die Aufschrift »Von höchster Dringlichkeit!« Die Notiz trug das Datum von vor zwei Tagen und warnte ihn, dass acht oder neun Aufwiegler beschlossen hätten, ihn zu töten. Unterzeichnet war das Schreiben mit »E. R.«
»Das ist eine Abschrift.«
»Das Original enthält Informationen, die ich Euch nicht zeigen kann.«
Jeder von uns wollte so wenig wie möglich verraten. Lord Stonehouse hatte Richard auch sein Misstrauen vererbt. Ich zuckte die Achseln und gab ihm das Papier zurück. »Das ist alles?«
»Reicht das nicht? Was meint Ihr, weshalb der König sein Ehrenwort zurückgezogen hat? Man kann hier nicht für seine Sicherheit garantieren. Oder will es nicht.«
»Cromwell hat die Wachen verdoppelt.«
»Ist er denn vor den Wachen sicher?«
Ich konnte nicht mit ihm reden. Cromwell hatte seine vertrauenswürdigsten Männer nach Hampton Court beordert, die den König mit ihrem Leben schützen würden. Ich ging zur Tür, als ich Geraldine »Au ’voir« sagen hörte und einige Pferde anhielten.
»Sie haben es für die Zeit der Verhandlungen geplant.«
Ich blieb stehen, die Hand auf dem Türknauf. »In Putney?«
»Ja. Mein Informant hörte einen von ihnen sagen, Putney wäre perfekt.«
»Warum?«
»Ich vermute, weil alle hochrangigen Offiziere dort sein werden. Abgelenkt.«
»Wann war das? Und wo?«
Er beschrieb die Versammlung im The Bull and Mouth, nannte die Argumente, die angeblich gefallen waren. Vieles davon waren Lügen, aufgeschrieben, um den Royalisten zu liefern, was sie hören wollten. Es hörte sich an, als ginge es darum, eine Rebellion in der Armee anzuzetteln, was allein das Ziel der Levellers war, anstatt darum, ein verkommenes Parlament zu reformieren. Der Informant war offensichtlich nicht auf der Versammlung gewesen. Aber er hatte anschließend in der Schenke die wütenden Ausbrüche derjenigen mitbekommen, die nicht mit Wildmans maßvollem Vorgehen einverstanden waren; leere, ungestüme Drohungen, vom Trunk befeuert. Eine Gruppe Männer war indes ruhiger und entschlossener gewesen. Der Informant hatte sie über Hampton Court flüstern hören. Den Palast.
»Als sie aufbrachen, sagte einer von ihnen dieses Sprichwort ›Das Rad …‹«
»Das Rad der Zeit lässt sich nicht aufhalten?«
»Das war’s.«
Ich setzte mich, stützte den Kopf in die Hände und dachte an Nehemiahs Verhandlungen mit dem Fährmann. Eine Doppelkrone? Für eine Bootsfahrt oder ein
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