Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Gestank verursachte sogar bei hartgesottenen Londonern einen Brechreiz. Einen Moment später, und mein Pferd wäre im Straßengewirr rund um Leadenhall Market verschwunden.
»Ich glaube, das Pferd gehört meinem Freund«, sagte Richard.
Einer der Diebe legte seine Hand an den Dolch. Der andere, der in Richards kalte Augen blickte, die seine freundliche Stimme Lügen straften, war vernünftiger. »Wir haben es nur für den jungen Herrn festgehalten«, jammerte er.
»Das macht einen Silberling«, sagte der mit dem Dolch mürrisch.
Zwei Constables bahnten sich ihren Weg durch die Menge. Richard zog eine Handvoll Münzen hervor und schleuderte sie in die Luft. Die Beutelschneider, die Hälfte der Menge und einer der Constables bückten sich nach den umherrollenden Münzen.
Richard grinste, als ich ihm auf mein Pferd half. »Sie hängen den Teufel, aber sein Geld nehmen sie.«
Die Gasse war so schmal und verwinkelt, dass wir uns kaum hindurchzwängen konnten. Ich zügelte das Pferd. Am Ende der Gasse zeichneten sich die Silhouetten dreier Männer ab. Das waren keine Constables, die ein paar Münzen nachlaufen würden. Sie trugen auch nicht die Uniform der städtischen Bürgergarde. Sie waren bewaffnet und zeigten die angespannte, nervöse Wachsamkeit von Männern auf der Jagd. Gekleidet waren sie in dem braungelben Wams der Armee, den auch ich so lange getragen hatte, und ihre Gesichter waren fest und wettergegerbt wie das Leder. Das waren Cromwells Männer. Ihre Stimmen hallten in der Gasse wider.
»Das ist er!«
»Sicher?«
»Absolut.«
Ich blickte zurück. Richard hatte sich verändert. Fünf Jahre hatten Falten in sein Gesicht gezeichnet, seine Augen einsinken und die Furchen an seinen Mundwinkeln tiefer werden lassen. Es war nicht nur das Fehlen des Bartes und der feinen Kleider, weshalb er nicht wiederzuerkennen war. Es war das Fehlen der Arroganz. Selbst die Adlernase der Stonehouse’ schien in dem Gesicht des Verbannten und Gejagten weniger stark hervorzutreten. Doch als er sein Schwert zog, erkannte ich ihn nur zu gut wieder. Ich erkannte den Ausdruck in seinen Augen, kalt und verschlagen. Es war das Gesicht des Mannes, der versucht hatte, mich zu töten.
»Lasst Euer Schwert fallen«, rief einer der Soldaten.
Das Klicken des Steinschlosses an der Pistole des Mannes hallte vernehmlich in der Gasse wider. Richard gab meinem Pferd die Sporen, und es machte einen Satz nach vorn. Ein blendend greller Blitz und der Gestank von Schwefel. Einen Moment lang konnte ich nichts sehen und nichts hören. Das Pferd raste los. Ich verlor die Zügel und packte sie erneut. Richard bohrte seine Finger in meinen Leib, drehte fast mein Wams von innen nach außen bei dem Versuch, sich festzuklammern. Ich duckte mich, als die leere Pistole nach mir geworfen wurde, und sah, wie der nächste Soldat die Waffe hob. Wir kamen gerade aus der Gasse heraus und boten ein perfektes Ziel. Die Pistole wurde riesengroß, wurde dann plötzlich nach oben gerissen und feuerte harmlos in die Luft, während Richards Schwert den Soldaten durchbohrte.
9. Kapitel
Zunächst gab das durchgehende Pferd die Richtung vor, und als ich es wieder unter Kontrolle hatte, behielt ich sie bei, denn ich erinnerte mich an The Pot. Ich wollte an einen Ort, wo ich Antwort auf die eine oder andere Frage bekommen könnte, und ritt durch die Seitenstraßen zu der Schenke, die ich als Lehrjunge oft aufgesucht hatte. Keiner von uns sprach. Es war jene Zeit am Nachmittag, in der die Leute gerade gegessen hatten und sich nur widerstrebend vom Tisch oder von der Feuerstelle fortbewegten. Der Stallhof war leer. Nicht einmal ein Hund zeigte sich.
Richard glitt als Erster vom Pferd und streckte seine Hand nach den Zügeln aus. Ich gab sie ihm nicht und sah ihn auch nicht an.
»Er hätte Euch getötet«, sagte er.
Ich bekam kaum die Worte über die Lippen. »Nur, weil Ihr nicht angehalten habt!«
Er hob die Hände. Er sah viel verletzlicher aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. »Ihr hättet mich preisgegeben.«
»Ja. Ja, das hätte ich«, rief ich.
Keine Spur von einem Stallknecht. Während ich das Pferd festband, schlenderte Richard ziellos zu einer vernachlässigten Bowls-Bahn in einer Ecke des Hofes. Ich erinnerte mich, dass ich dort einmal meine Stiefel beim Spiel verloren hatte. Die Presbyterianer verdammten Glücksspiele und hatten die Bahn geschlossen, genau wie die Theater. Die hölzerne Kiste mit den Kugeln und der Zielkugel, Jack genannt, war
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