Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
aufgebrochen worden. Richard schleuderte den Jack auf das Green. Er hüpfte durch das viel zu hohe Gras und kam schließlich neben einem Stein zu liegen. Richard ging halb in die Knie und schickte eine Kugel hinterher. Sie beschrieb eine Kurve, stieß den Stein fort und blieb neben dem Jack liegen. Er warf mir auch eine Bowls-Kugel zu. Ich war so benommen von den Geschehnissen und dem ganz und gar nicht dazupassenden Green, dass ich die Kugel zu Boden schleuderte. Sie sprang wie wild umher, ehe sie schließlich im Graben landete. Richard schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. In einem Anfall von Ärger schnappte ich mir noch eine Kugel, ertastete den Schwerpunkt und warf, so dass sie schwungvoll Richards Kugel fortstieß und dichter an den Jack heranrollte.
Er hob eine Augenbraue. »Nicht übel.« Er nahm eine weitere Kugel. »So eins werde ich nie wieder bekommen«, sagte er. »Mein Schwert, meine ich. Es war perfekt ausbalanciert. Fabris höchstpersönlich hat es in Bologna geschmiedet …«
Plötzlich, überwältigt von der Ungeheuerlichkeit dessen, was geschehen war, schlug ich ihm die Kugel aus der Hand. »Ihr habt ihn getötet. Cromwells Soldaten. Ihr habt ihn getötet. Ich arbeite für Cromwell. Habe für ihn gearbeitet. Wollte …«
Die Worte blieben mir in der Kehle stecken. All meine Hoffnungen, all meine ehrgeizigen Pläne, meine Zukunft waren mit diesem einen Schwertstoß zunichtegemacht.
»Euch hat gewiss niemand erkannt. Nicht in dieser dunklen Gasse. In dem Durcheinander.«
Ich begann, zusammenhangslos draufloszureden, meine Worte überschlugen sich. »Sie wissen, wer Ihr seid. Euer Schwert steckt in dem Mann. Sie werden herausfinden, dass ich mit Euch zusammen war. Ihr habt ihn getötet. Ihr …«
In einer tröstenden, beruhigenden Geste streckte er die Hand aus. »Er gehörte zum Pöbel, Tom.«
Ich packte seinen Leibrock, hielt ihn am Kragen und zerrte ihn über den Hof zur Stalltür. Es war nicht nur die Schnelligkeit meines Angriffs, die ihn schockierte. Fünf Jahre Krieg, davon einige Zeit bei der Infanterie, hatten mich eine Wildheit im Kampf Mann gegen Mann gelehrt, der er nicht gewachsen war. Ohne sein Schwert war er nur noch ein halber Mann. Ich war auf dem Höhepunkt meiner Kraft, während seine im Niedergang begriffen war. Ich sah ihm an, dass er es wusste, und ich sah die Angst in seinem Blick, als er gewahr wurde, dass er sich nicht aus meinem Griff befreien konnte, während ich ihn mit einer Hand festhielt und mit der anderen nach meinem Dolch tastete.
Ich holte aus, den Dolch in der Hand. » Ich gehöre ebenfalls zum Pöbel.«
»Achtung, hinter Euch«, sagte Richard verzweifelt.
Ich musste beinahe lachen, weil er glaubte, ich würde darauf hereinfallen. Doch um sicherzugehen, stieß ich ihm das Knie in den Schritt und drehte mich um. Ein Stallbursche, dem noch etwas von dem Stroh im Haar hing, in dem er geschlafen hatte, rieb sich die Augen und starrte uns mit offenem Mund an. Als ich von den Münzen gelebt hatte, die Edelleute mir zuwarfen, hätte ein Penny für einen großen Laib Brot und mein Schweigen gereicht. Jetzt waren es eher zwei Pence. Ich hob ein Sixpencestück in die Höhe.
»Du hast nichts gehört.«
Seine Augen quollen vor. Er legte seine Hand hinters Ohr. »Was, Sir? Bin von Geburt an stocktaub, Sir.«
Die Münze verschwand in seiner Tasche. Pfeifend führte er das Pferd zur Tränke. Ich schob meinen Dolch zurück in die Scheide, ging zur Pumpe und spritzte mir Wasser ins Gesicht.
Langsam und unter Schmerzen richtete Richard sich auf. Seine rechte Wange war blutverschmiert. »Ihr kämpft tatsächlich wie einer vom Pöbel.«
Ich hielt mein Taschentuch unter die Pumpe und ging zu ihm. Steinsplitter von der Mauer hatten seine Wange aufgerieben. Ein Steinchen steckte in seiner Lippe. Im Stall sprach der Bursche leise murmelnd mit dem Pferd, während er es abrieb. Richard behielt meinen Dolch im Auge, als ich mich näherte, und schnellte empor, als ich ihm das tropfende Taschentuch reichte. Zögernd griff er danach, dann wischte er sich das Gesicht ab, ohne mich aus den Augen zu lassen. Als er den Steinsplitter aus seiner Lippe zog, zuckte er zusammen.
In einer Art stiller Übereinkunft sagten wir nichts mehr, als wir den Hof durchquerten. Richard betrat die Schenke zuerst, ich folgte ihm dicht auf den Fersen, aus Furcht, er könnte das Weite suchen.
Mittlerweile gehörten vor allem Markthändler, Schreiber und Flugblattschreiber zur Stammkundschaft
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