Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Getreide säen! Ihr habt ihn gehört! Hier ist ein weiterer dieser verdammten Sektierer!« Er schob sein Gesicht ganz nah an meines. »Denn Eure Saat, Sir, würde nichts als Wicken und Unkraut hervorbringen – Ketzer und Gotteslästerer.«
Sobald ich einmal angefangen hatte, gab ich nicht so leicht klein bei. Der Puritaner, der die Gangraena mit all den Verweisen auf die Bibel in die Höhe hielt, schüttelte ob meiner Rede verzweifelt den Kopf. Die Menge, die zuerst nur ein wütendes Gemurmel hatte vernehmen lassen, begann mich anzurempeln und zu beschimpfen. Es war ein erstaunlicher Stimmungsumschwung der Massen, denn vor dem Krieg waren alle für Freiheit und gleiche Rechte gewesen, sei es das Recht auf die eigene Religion, das Fleckchen Land oder einen Laib Brot. Vielleicht verbanden sie jetzt, nach fünf Jahren Chaos und Krieg, Freiheit mit plündernden Soldaten. Es herrschte solch eine schmerzliche Sehnsucht nach Normalität, nach Ordnung um jeden Preis, dass die Menschen bereit waren, das eigene Denken einem engherzigen Kirchenmann zu überlassen. Eine weitere Stimme erscholl hinten aus der Menge.
»Ich kenne ihn! Er ist ein Bastard, ein Teufel, der vorgibt, ein Lord zu sein!«
Georges Gebaren legte nahe, dass er von meinem Zerwürfnis mit Lord Stonehouse wusste. Seine Stimme ließ mich stärker erschaudern als einst in der Kindheit, als ich zumindest glauben konnte, er sei der einzige Verrückte. Doch jetzt schien halb London von dieser Tollheit angesteckt zu sein. George schob sich durch die Menge, das Gesicht vor religiösem Eifer gerötet. Erst vor wenigen Wochen hatte er mir die Hand geschüttelt, jetzt zeigte er mit dem Finger auf mich.
»Ich klage ihn an. Er leugnet, eine Seele zu haben!«, schrie er.
Plötzlich herrschte absolute Stille. Die Menschen rückten von mir ab. Andere reckten die Hälse, hielten den Atem an, fixierten mich. Einem Mann rutschte ein Bissen Pastete aus dem Mund, ohne dass er es bemerkte. Das Ladenschild quietschte, als der Milan, der darauf gehockt hatte, herunterschoss, um sich die restliche Pastete aus der Hand des Mannes zu schnappen. So gut wie niemand lachte, alle machten dem Geistlichen Platz. Der Wind wehte ihm das lange Haar ins Gesicht, seine Stimme war vor Unglauben ganz weich.
»Leugnest du tatsächlich die Unsterblichkeit der Seele, mein Sohn?«
In gewissem Sinne hatte George mit seiner Anschuldigung recht. Jedes Mal, wenn er mich geschlagen hatte, hatte er gesagt, es geschähe zum Wohle meiner Seele, bis ich ihm eines Tages erklärte, er könne aufhören, mich zu schlagen, da ich keine besäße und er nur seine Zeit verschwende. Dieselbe Verderbtheit legte mir jetzt die Worte in den Mund.
»Ich tat es, als er mich schlug.«
Der Puritaner, der Edwards’ Buch festhielt, sah mich voll Entsetzen an. Moses hätte beim Anblick des Goldenen Kalbs nicht wütender reagieren können als der aufgebrachte Geistliche, nachdem ich die Worte ausgestoßen hatte. »Er hat sich selbst aus seinem eigenen Mund verdammt!«
»Gotteslästerer!«
»Ketzer!«
»Haltet ihn!«
Ein Stein traf mich. Ich wich einem anderen aus und versuchte, mein Schwert zu ziehen, doch mehrere Hände packten mich. Zwei Beutelschneider ergriffen unter dem Vorwand, es festzuhalten und zu beruhigen, mein Pferd und führten es langsam fort. Man nannte es die Penny-Pferd-Masche: Wenn man die Diebe fasste, verlangten sie einen Penny, weil sie das Tier gehalten hatten. Wenn sie entwischten, verkauften sie das Pferd an einen Hufner außerhalb der Stadt. Es gelang mir, mein Schwert zu ziehen und die Menge vor mir zu zerstreuen, doch dann hielt jemand von hinten meinen Arm fest und das Schwert entglitt meiner Hand.
George packte mich triumphierend. Der Geistliche schrie nach den Constables. George wollte mich gerade abführen, als etwas ihn am Kopf traf. Ein Buch fiel ihm vor die Füße, als er mich langsam losließ und auf das Pflaster sank. Gangraena . Ein Mann kam auf mich zu, und in meinem angeschlagenen Zustand glaubte ich, der Puritaner, der das Buch gehalten hatte, wollte die Ehre meiner Verhaftung für sich verbuchen, bis ich in die Augen unter dem Zylinderhut blickte und Richards kultivierte, gemessene und ruhige Stimme an meinem Ohr vernahm.
»Ich denke, wir sollten aufbrechen. Es sei denn, Ihr zöget es vor, Euer Pferd zu verlieren anstelle des Streits?«
Er warf mir mein Schwert zu, folgte den Beutelschneidern und hielt sie in einem schmalen Durchlass auf, der bekannt war als Pissgasse. Der
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