Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
auf Lord Stonehouse’ Stirn pochte das Blut. »Jeder hat unter dem Krieg zu leiden. Die Kohlenlieferungen waren blockiert.«
Ich blickte vielsagend in das Feuer, das munter im Kamin brannte. »Alles, worum ich Euch bitte, Mylord, ist, dass Ihr meine Frau nicht für das straft, was Ihr als meine Unzulänglichkeit anseht.«
Die pulsierende Ader auf seiner Stirn sah aus, als würde sie jeden Moment platzen. Der Tintentropfen fiel von der Feder, und Mr Cole, voller Angst, er könnte auf dem Teppich landen, schaffte es gerade noch, ihn mit der anderen Hand aufzufangen.
»Ich werde den Unterhalt Eurer Frau überprüfen«, sagte Lord Stonehouse, jedes Wort klang, als würde ihm ein Zahn gezogen.
Als ich die Feder ergriff, ließ er mich nicht aus den Augen. Ohne seinen Schutz konnte ich nichts tun. Trotzdem zögerte ich. Es ging nur um ein paar Worte, mehr nicht, so sagte ich mir, aber dies waren nicht die Worte, mit denen ich durch die Straßen gerannt war; Worte, von denen ich glaubte, sie würden die Welt verändern. Dies waren Worte voll Doppeldeutigkeit und Falschheit.
Dann hörte ich das dumpfe Prasseln der Erde, die hastig auf Liz’ Sarg geworfen wurde, ehe der Tag anbrach, und ich spürte, wie Luke sich unter meinem Umhang an mich schmiegte, als wir wie Grabräuber vom Kirchhof schlüpften.
Ich unterschrieb.
Thomas Stonehouse.
In dem Namen lag ein Hauch von Endgültigkeit. Es war ein Tintengekritzel, mehr nicht, aber ich fühlte mich, als hätte ich einen Schritt in ein anderes Land getan, ein Land, aus dem ich womöglich nicht zurückkehren würde. Lord Stonehouse stieß einen langen Seufzer aus, dann nahm er den Brief, um persönlich Sand darüber zu streuen.
»Hier. Damit bekommt Ihr alles, was Ihr wollt – vorausgesetzt, Ihr quittiert es.« Er reichte mir einen Siegelring, eine kleinere Ausgabe seines eigenen, mit dem stolz aufgerichteten Falken. Die Krallen schienen meinen Finger zu packen, als ich ihn überstreifte. Ich verbeugte mich und wandte mich zum Gehen.
»Wartet!«
Ich hätte es wissen müssen. Er war wie ein Fischer, der einen Köder ins Wasser warf. Sobald man ihn geschluckt hatte, hing man am Haken und wurde Stückchen für Stückchen eingeholt.
»Ihr werdet diesen Brief persönlich überbringen.«
»An Sir Lewis?«
Er bedachte mich mit einem frostigen Lächeln. »An ihn ist er schließlich gerichtet, Thomas.«
Jetzt war ich wieder Thomas. Willkommen zurück im Schoße der Stonehouse. Das war also die Strafe für meine Verfehlung. Nicht nur der Brief, kriechen sollte ich vor Challoner. Ich erkannte es in Lord Stonehouse’ Augen – diesen grausamen Zug, mit dem er mich einst in die Pestgrube geschickt hatte, den Befehl beglaubigt mit demselben Falkensiegel, das jetzt auf dem Brief trocknete. Ich schluckte meine Worte des Protests herunter. Um meiner Familie willen würde ich es erdulden. Ich war nun so fest an ihn gebunden wie irgendein Lehrjunge an seinen Master, doch ich beschloss, dass er mich nicht brechen würde, genauso wenig wie der Stock mich gebrochen hatte, als ich noch Tom Neave gewesen war. Ich nahm den Brief und verbeugte mich erneut.
»Wartet!«
Er befahl Mr Cole, mir einige Papiere aus dem Stapel mit den Petitionen zu reichen. Darunter war auch das Flugblatt über Scogman. Lord Stonehouse befand sich jetzt in großartiger Stimmung. »Ihr werdet keine Mühe scheuen, wie die Anwälte zu sagen pflegen, um diesen erbärmlichen Dieb aufzustöbern und ihn Sir Lewis zu übergeben.«
Es wäre klug gewesen, einzuwilligen und dann Scogman niemals zu finden. Doch es war noch neu für mich, ganz und gar Thomas zu sein, so dass Tom mit den Worten herausplatzte, ehe ich ihn zurückhalten konnte. »Das kann ich nicht.«
Als spürte er, wie sich kurz vor dem Sturm der Wind drehte, zog Mr Cole sich zurück und suchte mit dem Wandteppich zu verschmelzen. Lord Stonehouse, der sich bereits der nächsten Angelegenheit zugewandt hatte, hob nicht einmal den Blick von dem Dokument, das er gerade las. Scogman war so unwichtig für ihn, dass er meine Worte vollkommen missverstanden hatte. »Unsinn. Natürlich schafft Ihr das. Ein Mann mit Euren Mitteln? Sir Lewis wird Euch nicht empfangen, ehe Ihr ihm nicht den Kerl in Ketten bringt. Ich wette, Ihr wisst, wo er ist. Oder Eure Freunde bei der Armee wissen es.«
Scogman verhaften? Ihn diesem Rohling ausliefern?
Als ich nicht antwortete, blickte er auf, sein Lächeln gefror. An seinem Ellenbogen lag der Arrestbefehl. Er würde ihn
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