Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
erklärt. Auf der Stelle war er ruhig geworden und hatte mich mit großen, klaren Augen angesehen. Ich lehrte ihn, was Lord Stonehouse’ Vogt Eaton mich auf dem Ritt nach Highpoint gelehrt hatte. Kein Unterricht nach dem Lehrbuch, sondern Regeln zum Überleben.
Ich bevorzugte ein kurzes Schwert, das ich in Naseby einem toten Landsknecht abgenommen hatte. Dazu gehörte ein Main-gauche, ein linkshändiger Dolch, um die Schläge zu parieren. Der einzige Zierrat des Schwertes waren die Kerben und Scharten an der Klinge. Mit kurzen Querstücken, einem einfachen Stichblatt und Heft versehen und perfekt ausbalanciert, war es das Schwert eines Mannes, der seinen Lebensunterhalt mit Töten verdiente.
Lord Stonehouse verdaute den Anblick der Waffen mit einem weiteren Schluck Stärkungstrunk. »Es tat mir leid, zu hören, dass …« Er zögerte. Er hatte ihren Namen vergessen. »Dass Eure Tochter …«
»Elizabeth.«
»Elizabeth. Ach ja. Trotzdem, es ist ja nicht so, als hättet Ihr einen Sohn verloren, was?«
Ich sagte nichts, obwohl Zorn in mir aufstieg über diese beiläufige Art, Liz herabzusetzen. Aber es war ein kalter, zielgerichteter Zorn, den ich nicht an Lord Stonehouse vergeuden wollte.
Er hieb mit der Faust auf den Arrestbefehl. »Habt Ihr nichts zu Eurer Verteidigung zu sagen?«
»Nein.«
»Ich werde nie begreifen, was in Euch vorgeht. Niemals. Nicht in diesem Leben. Ihr erwartet also, für mich arbeiten zu können?«
»Ich bin bereit.«
»Er ist bereit! Oho! Bereit . Wie überaus großzügig von Euch.« Er ging um mich herum, inspizierte mich, als sei ich auf dem Exerzierplatz, schob sein Gesicht wie früher dicht an meines heran, doch jetzt lag in seinem Atem der ekelerregende Geruch des Stärkungstrunks anstelle des sauren Weinhauchs. »Wenn Ihr vielleicht so freundlich wärt, Sir, mir zu erklären, wie es zu diesem plötzlichen Sinneswandel gekommen ist?«
»Ich denke, dass Ihr recht habt, Mylord. Wenn die Presbyterianer mit dem König an die Macht zurückkehren, werden sie meinen Sohn töten, so wie sie die Seele meiner Tochter getötet haben. Sie wird nicht eher in Frieden ruhen, ehe wir uns ihrer entledigt haben, und ich genauso wenig.«
Schweigend starrte er mich an, entfernte sich ein Stück und wirbelte herum, starrte erneut und schien jede Pore meines Gesichts gründlich zu überprüfen. »Ihr seid also bereit, mir zu dienen?«
»Ja, Mylord.«
»Und all die Dinge zu tun, die Euer feines moralisches Empfinden Euch zuvor verboten hat: spionieren, lügen, betrügen, täuschen?«
»Ja.«
Er hob die speckige, zerlesene Akte, die er mir zuvor gezeigt hatte. »Ihr werdet mit all meinen Informanten zusammenarbeiten, mit allen künftigen Zuträgern, ganz gleich, wie abstoßend sie Euch erscheinen mögen, um an die Informationen zu kommen, die wir brauchen?«
»Ja.«
»Ihr werdet Euch bei Challoner entschuldigen und tun, was nötig ist, um die Informationen von ihm zu erhalten?«
»Ja.«
Es lag in seiner Natur, irgendeinen Trick zu erwarten, irgendeine List. Er schritt im Raum auf und ab und wartete darauf, dass ich sprach, doch ich sagte nichts mehr. Ich sah nicht ihn, sondern den Kirchhof, wie er am Ende jener langen Nacht Konturen anzunehmen begann, als die Silhouetten zu Gesichtern wurden und Mr Tooley uns zur Eile drängte, weil sie uns nicht gestatten würden, Liz zu begraben, sobald es ein wenig heller wäre.
Mr Cole brachte einen Brief herein, den ich unterzeichnen sollte. Es war eine sorgfältig ausgearbeitete Bitte an Sir Lewis, meine demütigsten Entschuldigungen für zeitweilig hitzköpfiges Verhalten anzunehmen, das ich zutiefst bereute. Der Brief zeigte all die Diplomatie, die ich vermissen ließ. Ich musste sogar über die hochtrabenden Formulierungen schmunzeln, in denen sich die Herablassung eines Mannes mit Aussicht auf die Peerswürde – wie gering diese Aussicht auch sein mochte – gegenüber einem einfachen Edelmann ausdrückte. Dadurch wurde die Entschuldigung in die Gewährung einer Gefälligkeit verwandelt, und zwar auf eine Art und Weise, die ein so plumper Mann wie Sir Lewis Challoner nicht einmal bemerken würde. Mr Cole hielt mir die in Tinte getauchte Feder hin.
»Es gibt eine Bedingung«, sagte ich.
Mr Cole zitterte. Ein Tintentropfen drohte von der Feder zu fallen. Lord Stonehouse’ Augen wurden schmal und seine Lippen dünn.
»Während ich fort war, litt meine Frau im Winter unter Kohlenmangel. Ihr Unterhalt ist nicht angemessen.«
In einer Ader
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