Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
Grenzerfahrung in Sachen Geduld und Selbstbeherrschung.
    »Das alles hier geht über meine Kräfte«, jammerte die Ärztin, während Wurstauge und ich sie auf den Pott hoben. Nachts geht sie alleine, erinnerte ich mich.
    »Man wird hier ohne jedes Feingefühl herumgeschubst und gehandhabt wie ein Stück Fleisch, man wird belogen und bestohlen, es gibt so gut wie keine Privatsphäre .«
    »Da fällt mir etwas ein«, sagte ich, wandte mich ab und trat hinaus aus dem Zeltverschlag in den trüben, einem den Trost der Aussicht raubenden und die Welt auf eine eisüberzogene Schlackehalde im Bottroper Norden reduzierenden Nachmittag. Keine Postkarte, kein Kalender, kein Bildband bereitet einen darauf vor, wie trist es in den Bergen werden kann. »Wir hatten doch ein Rotationsverfahren bei der Aufgabenverteilung ausgemacht. Nun, ich für meinen Teil rotiere jetzt.«
    »Sie werden nicht!«
    »Ich muss«, antwortete ich. »Gegen die Vereinbarungen zu verstoßen bringt einem Minuspunkte in Dr. Weifenheims kleinem grünem Buch.«
    »Ach, Kristof, Sie geben sich doch wohl keinerlei Illusionen hin, wie Ihre Beurteilung ausfallen wird, oder?«
    Ich ging mit dem Kopf ganz nahe an die Zeltbahn, ehe ich leise, aber deutlich die folgenden Worte sprach: »Das, Frau Doktor Marx, war eine ganz, ganz dumme Bemerkung.«
    Horst lachte, dass ihm die Tränen kamen. Nachdem Toni nicht mehr da war, um auf seine ebenso freundliche wie hartnäckige Art für Disziplin zu sorgen, hatte sich das Zelt von Ernesto, Sigismund und dem Rattengesicht, dessen Namen ich immer noch nicht wusste, binnen kürzester Zeit in eine Räucherhöhle verwandelt. Zusammen mit Atze, Wurstauge und Alexander dem Igel hockten sie im Kreis und spielten, nein blickten gerade betreten auf ihre Karten, als ich hereinkam.
    »Mit einem Pärchen!«, frohlockte Horst und hielt mir sein
    Blatt entgegen. »Mit einem einzigen Pärchen!« Und gierig zog er den beachtlichen Haufen Zigaretten von der Mitte des Zeltbodens zu sich heran. Ein Blick reihum zeigte, dass er seine Mitspieler praktisch pleite gepokert hatte. Entsprechend verkniffen das allgemeine Mienenspiel.
    »Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag im Knast?«, fragte er in die Runde und grinste ein Grinsen, das nach Ohrfeigen schrie. »Ich meine, außer wichsen?«
    Neben schlechten Verlierern gibt es auch das Phänomen des schlechten Gewinners.
    »Man sollte meinen, zumindest pokern würdet ihr da lernen.« Hinzu kam, dass Horst noch nicht mal rauchte, »Oh verdammt!« Plötzlich griff er sich an den Bauch, zog ein Gesicht. »Ich fürchte, ich muss mal raus«, murmelte er, was ringsum ein recht heftiges Grummeln nach sich zog. »Kristof, könntest du, und Atze vielleicht .« In Windeseile hatte er sämtliche Zigaretten in eine Plastiktüte gepackt und sich behende wie ein Affe über den Boden bis zum Ausgang gerollt. Atze und ich krabbelten ihm voran und hoben ihn heraus, und er lachte und winkte ab, als wir mit ihm zum Klo wollten. Zwinkernd steckte er Atze und mir je eine Hand voll Zigaretten zu, ehe er die Arme um unsere Hälse schlang und die Tüte in seiner Faust schüttelte.
    »Die können die jetzt Stück für Stück von mir zurückkaufen«, freute er sich. »Bis wir wieder zu Hause sind, bin ich reich!«
    »Oder tot«, raunte es aus dem Zelt hinter uns.
    Die Nacht kam, und ein leichter Wind ließ die Zeltbahnen flappen, gelegentliche Böen heulten hohl wie Pfiffe auf leeren Bierflaschen um die Ecken der Felswand über uns.
    »Irgendwo müssen die Dinger doch sein«, sagte ich.
    »Seid ihr sicher, dass keiner von euch zufällig ein paar Streifen länglicher, hellgrüner Tabletten gesehen hat?«
    Die verdammte Ärztin, flüsterte eine hohle Stimme in meinem Kopf, hat sie ins Klo geschmissen, um dich weich zu klopfen, Kristof. Sie will, dass du im Laufen einschläfst und dir den Hals brichst. Aber vielleicht ... Vielleicht hat sie sie auch nur versteckt ...
    »In so blau-weißen Packungen?«
    »Mein Gott, Kristof!« Horst, der im Schein einer baumelnden Taschenlampe Zigaretten zu Zehnerpacks sortierte und in Briefumschläge verstaute, sah von seiner Tätigkeit auf. »Gib Ruhe, ja? Die blöden Pillen sind weg, also finde dich damit ab. Schwitz es aus, da hast du ja Erfahrung drin, oder? Aber tu uns allen einen Gefallen, und hör auf zu jammern. Es ist nicht unsere Schuld, wenn du dich von einer Abhängigkeit zur nächsten hangelst, also geh uns auch nicht auf den Keks damit.«
    Ein offenes Wort zur rechten Zeit, dafür

Weitere Kostenlose Bücher