Falling in love
nicht noch draußen hängt, und schlage die Tür zu.
Als ich den Wagen starte, schallt Musik aus der Soundanlage. Schnell drehe ich die Lautstärke runter.
»Wer ist das?«, fragt Sara.
»R.E.M. Kennst du die nicht?«
»Den Namen hab ich schon mal gehört.«
»Die sind genial. Wenn du willst, leihe ich dir eine Platte.«
»Danke. Sag mal… was machst du in den Ferien?«
Ich biege in die Pine Street ein. »Das Übliche. Ich versuche, Familientreffen zu überleben, und verhalte mich so, wie es von mir erwartet wird.« Ich werfe Sara einen Blick zu. »Dabei ist Thanksgiving schon schlimm genug.«
»Finde ich auch!«, ruft sie. »Und alle tun so, als wären sie glücklich. Es gibt nichts Schlimmeres. Außer Sport natürlich.«
»Mir fällt da durchaus Schlimmeres ein.« Zum Beispiel, dass ich jeden Tag mit ansehen muss, wie Dave, dieses Sackgesicht, dich überall begrapscht.
Sara verstummt. Dann sagt sie: »Ich hasse meine Mom.«
»Warum?«
»Für sie scheine ich nicht zu existieren. Sie redet nicht mit mir. Und wenn sie sich doch mal an meine Existenz erinnert, dann mault sie die ganze Zeit rum, weil ich angeblich ihr Leben ruiniert habe.«
»Das ist ja ätzend.«
»Und wie! Wenn man nur bei einem Elternteil aufwächst, ist das echt kompliziert. Meine Mom kann ihre schlechte Laune nur an mir auslassen. Und das tut sie jeden Tag. Obwohl ich ihr keinen Grund dazu gebe.«
»Das kann sie doch nicht machen.«
»Ich weiß.«
»Und was ist mit deinem Dad?«
»Keine Ahnung. Meine Mom hat mich bekommen, als sie noch in der Highschool war, und da…«
»Du kennst ihn nicht?«
»Nein und ich will ihn auch nicht kennenlernen. Ich habe kein Interesse an jemandem, dem ich so eine Angst eingejagt habe, dass er noch vor meiner Geburt abgehauen ist.«
»Krass. Mein Dad nervt mich zwar wegen des Colleges, aber er ist echt in Ordnung.« Ich nehme R.E.M. heraus und lege The Cure ein.
»Ich wäre froh, wenn meine Mom mitkriegen würde, wie ich mich abrackere. Selbst wenn ich so gut wie Laila wäre, würde sie das nicht merken.«
Die Bäume ziehen an uns vorbei und wir schweigen. Aber die Stille zwischen uns fühlt sich nicht merkwürdig an. Bei Cynthia habe ich immer krampfhaft nach einem Gesprächsthema gesucht. Sara und ich dagegen müssen nicht mitei-nander sprechen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist. Denn es ist alles in Ordnung.
Dann halte ich vor Saras Haus. Ich werde panisch. Was ist, wenn sie mich jetzt nicht reinbittet? Und was ist, wenn sie es tut?
»Also dann…« Ich möchte so viel sagen, aber in meinem Kopf herrscht ein heilloses Durcheinander.
»Danke, dass du mich mitgenommen hast«, sagt Sara.
»Kein Problem.«
»Also dann…« Sie schaut mich an.
Da setzt mein Denkvermögen aus. Ich beuge mich zu ihr hinüber.
»Danke«, sagt sie noch einmal.
»Jederzeit wieder«, sage ich.
Und beuge mich weiter zu ihr hinüber…
27. Kapitel
Das ist wahre Liebe 7. November, 16.46 Uhr
Endlich weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn einem die Knie weich werden. Und ich spüre auch alles, was sonst zu diesem Gefühl gehört. Schon jetzt ist mir klar, dass das mit den Hausaufgaben heute nichts wird. Dass es damit bis zum Ende des Jahres nichts mehr wird. Eigentlich ist es keine große Sache, mit Tobey in seinem Wagen zu sitzen. Aber irgendwie ist mir das trotzdem schon zu viel.
Wie atmet man noch mal?
Wie heißt der Typ, mit dem ich zusammen bin?
Wie öffnet man eine Autotür?
Ich verliere mich in Tobeys Augen. Ich will mir sein Gesicht einprägen, jeden einzelnen Quadratmillimeter. Ich will mir für immer einprägen, wie sich dieser Moment anfühlt.
Tobeys Gesicht ist ganz nahe vor meinem. Zwischen uns herrscht eine unglaubliche Anziehungskraft. Es wäre so einfach, ihn jetzt zu küssen. Jeder Teil von mir sehnt sich danach.
Aber gleichzeitig wäre es falsch. Es wäre zu früh.
»Ich gehe jetzt besser«, sage ich.
Tobey lehnt sich ein Stück zurück.
Noch nie fand ich es so schwierig, eine Autotür zu öffnen.
Ich laufe einmal um den Wagen und stelle mich an die Fahrertür. Merkwürdig, dass die Erde sich seelenruhig weiterdreht. Merkwürdig, dass ich nicht fröstele. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir an einem Novembertag jemals so warm gewesen ist.
Ich schaue Tobey an. Er erwidert meinen Blick. So intensiv, dass es mich nicht wundern würde, wenn die Glasscheibe zerspringt.
Ich lege meine Hand an das Fenster. Er legt seine Hand auf meine.
Ich weiß nicht, wie lange wir so
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