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Fallkraut

Fallkraut

Titel: Fallkraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucette ter Borg
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monoton. Sie hängt alle Worte aus Andersens Märchen aneinander, ohne Komma, Punkt oder Ausrufezeichen.
    Da trat die kleine Gerda durch das große Tor in das Schloss dort waren schneidende Winde und sie trat in die großen leeren kalten Säle da sah sie Kay sie erkannte ihn sie flog ihm um den Hals hielt ihn so fest und rief Kay lieber kleiner Kay da habe ich dich gefunden aber er saß ganz still steif und kalt da weinte die kleine Gerda heiße Tränen sie fielen auf seine Brust sie drangen in sein Herz sie tauten den Eisklumpen auf und verzehrten das kleine Spiegelstück darin.
    Früher hatte Mama auch schon nicht verstanden, was sie vorlas.
    Wenn du wüsstest, will ich zu ihr sagen, wie sehr ich dich vermisst habe. Wo warst du all die Jahre? Warum hast du mich mit Papa und Valentine allein gelassen, und Sjors machte es später auch nicht besser?
    Aber Mama legt mir die Hand auf den Mund und beugt sich über mich. Mama muss noch eine Sache erledigen, flüstert sie.
    Aus der Schublade neben meiner Bettcouch holt sie eine glänzende Stopfnadel, sticht sie in meinen Bauch und näht mit langsamen Bewegungen meine Eierstöcke an meinem Darm fest. Jedes Glied, das ich rühre, ist ein krampfartiger Stich durch Bauchfell, Adern und Eingeweide hindurch. »Lieg still, Kindchen«, murmelt Mama, »sonst kann ich nicht richtig vernähen.«
    Mama zieht die Nadel über meinen Nabel wieder heraus. Ihre Zähne durchbeißen mühelos den Faden, der aus Eisen ist. »So«, sagt sie, »jetzt sieht alles wieder ordentlich aus bei dir da drinnen.« Mama hält die Nadel hoch und starrt mich durch das leere Öhr an. Mamas Auge wird groß, größer, wahnsinnig groß. Ich sehe ein glänzendes weißes Mondauge. Blut fließt heraus.
    Ich erwache von einem stechenden Schmerz in meinem Bauch.
    Durch die Nase ein- und ausatmen, vorsichtig am Zwerchfell entlang hinunter und fühlen, wie tief die Luft kommen kann.
    Große Schmerzen. Nein, nicht so tief.
    Millimeter für Millimeter rutsche ich an den Rand der Bettcouch und lasse mich auf den weichen Fußbodenbelag rollen. Valentine? Die schläft fest, und wie sollte ich überhaupt rufen, wenn Luftholen schon so wehtut?
    Stöhnend hieve ich mich auf Hände und Knie. Langsam, ein Bein nach vorn, warten, bis der Schmerz nachlässt, dann das andere Bein. Ich muss versuchen, die Toilette zu erreichen. Wenn ich meinen Darm entleere, wird der Schmerz sicher verschwinden. Bestimmt ist ein Stück Schnitzel vom Abendessen stecken geblieben. Von jetzt an werde ich Vegetarierin.
    Mir ist kalt, aber der Schweiß läuft mir in Strömen über den Rücken.
    Im Bad ziehe ich mich am Toilettenbecken hoch und lasse mich auf das kalte Porzellan sinken. Ich sitze eine halbe Stunde, eine Stunde, zwei Stunden. Ich bin nicht ängstlich, eher verwundert, weil alles so klar ist. Ich sehe, wie aus einem Ei ein Küken schlüpft, das zum Huhn wird und Eier legt, die bald in der Pfanne verschwinden. So einfach ist das. So erbärmlich läuft es also. Auf dem Klo, mit heruntergezogener Unterhose, den Kopf zwischen den Knien. Wenn Valentine aufwacht, wird sie meinen steif gewordenen Körper an diesem schmudd­ligen Ort finden. Gleich falle ich.
    Aber ich falle nicht, ich hänge schief. Langsam verebbt der Schmerz, zumindest so weit, dass ich mich vom Klobecken runterwage und zu Valentines Arzneiköfferchen schlurfen kann. Eine Handvoll Aspirin, schnell, bevor der widerliche Schmerz wieder einsetzt. Schwer atmend bleibe ich über das Waschbecken gebeugt stehen. Ich wische mir den Mund ab, betupfe Stirn und Handgelenke und humpele dann zurück zur Couch.
    Lieber Gott, mach, dass alles gut wird.
    Und endlich schlafe ich wieder ein.
    Beim Morgengrauen spüre ich immer noch einen bohrenden Schmerz in meinem Bauch. Mein Kopf fühlt sich an, als ob ich stundenlang in einem Kettenkarussell gesessen hätte. Ich muss zwei-, dreimal mit den Augen zwinkern, bevor ein Bild an meiner Netzhaut haften bleibt.
    Â»Valentine«, sage ich, »würdest du mir bitte eine Tasse Tee und ein Toastbrot mit Butter mit raufbringen?«
    Â»Ach schade«, ruft Valentine aus dem anderen Zimmer zurück. »Schade, dass wir nicht ausgiebig frühstücken, wo wir schon mal in so einem Luxushotel wohnen. Kriegst du deine Tage, oder was? Du bist doch längst in den Wechseljahren gewesen?«
    Ich höre, wie

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