Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
auf den Straßen der Elendsviertel verhungern muss. Du bist doch diejenige, die ich hier mit Euer Gnaden anreden soll.«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ich verstehe dich nicht mehr, Declan.«
»Ich bin immer noch derselbe, Arkady. Nur besser angezogen und ungleich besser bezahlt.«
Arkady runzelte über seine leichtfertige Erwiderung die Stirn. »Der Freund, den ich als Kind kannte, hätte Blut vergossen, um Schwächere zu schützen. Ich erinnere mich an einige Male, wo du genau das getan hast.«
»Der König, an dem du so viel auszusetzen hast, ist zufällig der Cousin deines Mannes«, erinnerte er sie. »Und trotzdem bringst du es fertig, nachts gut zu schlafen.«
»Ich benutze meine Position, um den Crasii zu helfen.«
»Wie edelmütig von Euch, Euer Gnaden.«
Sie seufzte. Sie war nicht gekommen, um mit Declan zu streiten. »Hör mal … ich weiß, es geht mich wahrscheinlich überhaupt nichts an …«
Wieder machte er sich an seinem Sattelgurt zu scharfen. »Da hast du allerdings recht.«
»Aber könntest du ihn nicht ein einziges Mal besuchen? Er wird sicher gehört haben, dass du in der Stadt bist. Würde es dich umbringen, wenn du dir trotz deines vollen Terminkalenders eine Stunde Zeit nimmst, um einen alten Mann glücklich zu machen?«
Ihr vernünftiger Ton schien bei ihm an etwas zu rühren. Die Anspannung wich aus seinen Schultern. »Ich werde darüber nachdenken.«
»Und Cayal?«
»Was ist mit ihm?«
»Kannst du …« Arkady beendete den Satz nicht. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie keine rationale Erklärung dafür hatte, warum sie Cayal retten wollte. Zumindest keine, die Declan Hawkes zufriedenstellen würde.
»Kann ich was?«, drängte er und sah sie über die Schulter an, versuchte, ihre Absichten zu erraten. »Ihn schonen?«
»Er hat es nicht verdient, gefoltert zu werden, Declan.«
»Soweit ich mich erinnere, warst du bereit, ihn persönlich zu verstümmeln.«
Arkady runzelte die Stirn und wünschte, man würde endlich aufhören, sie ständig daran zu erinnern. »Die fachgerechte Amputation eines Fingers kann man kaum als Folter bezeichnen.«
»Erklär das mal dem Eigentümer des Fingers«, schoss er zurück.
Arkady wollte ihn anschreien, so frustriert war sie, aber sie wusste, das würde alles nur noch schlimmer machen. Sie holte tief Luft und versuchte so vernünftig und unbeteiligt zu klingen wie nur irgend möglich. »Cayal hat Wahnvorstellungen, Declan, und ist mit großer Wahrscheinlichkeit geisteskrank. Ich bezweifle, dass es irgendetwas nützt, ihn foltern zu lassen. Und es wird ihn mit Sicherheit nicht dazu bringen, seine Geschichte zu ändern.«
»Dann werde ich ihn eben als Übungsobjekt benutzen.«
Arkady fiel nicht darauf herein, sie wusste, dass er sie nur aufzog. »Du verschwendest nur deine Zeit mit ihm. Er ist depressiv, vermutlich selbstmordgefährdet, und hat definitiv Wahnvorstellungen. Vermutlich gibst du ihm sogar genau das, was er will.«
»Und mich hast du ein skrupelloses Monster genannt …«
»Ich meine es ernst, Declan.«
»Ich weiß.« Endlich zog er die Steigbügel herunter und drehte sich um, um sie anzusehen. »Es tut mir wirklich leid.«
»Was? Cayal zu foltern?«
»Dich in die ganze Sache hineingezogen zu haben. Wenn ich gewusst hätte, dass du wegen diesem Mann gleich so … emotional wirst, hätte ich dich nie um deine Hilfe gebeten.«
»Ich frage mich immer noch, warum du es getan hast«, sagte sie. »Zumal du meinen Rat so vollkommen in den Wind schlägst.«
»Dein Rat kommt bei mir gleich nach den Befehlen des Königs, Arkady.«
Das war die bittere Wahrheit. »Gibt es denn nichts, was ich sagen kann, um dich davon abzubringen?«
Er starrte sie an und schüttelte verwundert den Kopf. »Ist das dein Ernst? Denk doch mal nach, um was du mich da bittest, Arkady. Du willst, dass ich mich einem direkten Befehl des Königs widersetze, weil du befürchtest, dass ein verurteilter Mörder – den du als eine der ersten als caelischen Spion bezeichnet hast – Schaden nehmen könnte, wenn wir versuchen, Informationen von ihm zu kriegen, die wir brauchen, um unser Land zu schützen.«
Sie wusste, wie sich ihre Bitte anhörte, und in ihr wuchs die bange Gewissheit, dass sie nichts tun konnte, um Declan zu überzeugen. »Du hast recht. Wie dumm von mir, vom Ersten Spion des Königs Mitgefühl zu erhoffen.«
»Du machst mir kein schlechtes Gewissen, Arkady, ich tue nur meine Arbeit«, sagte er und fügte warnend hinzu: »Ich bin
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