Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Großvater es fühlen kann«, sagte sie und ignorierte seine Frage. »Und was noch schlimmer ist, die Flut bereitet ihm Schmerzen, und die werden noch schlimmer werden, je höher sie steigt. Du solltest nicht mal daran denken, ihn von hier fortzubringen, Junge. Du solltest lieber daran denken, ihm die Zeit, die ihm noch bleibt, so angenehm wie möglich zu machen.«
Declan starrte sie schreckerfüllt an. »Wollt Ihr mir damit etwa sagen, dass er stirbt?«
»Ich sage dir, dass die Gezeiten ihn töten«, präzisierte sie grimmig. : »Darum ist er hergekommen. Um zu sehen, ob ich ihm helfen kann.«
»Könnt Ihr es?«
Sie schüttelte den Kopf. »Rede mit Cayal, wenn du einmal die Gelegenheit dazu hast - frag ihn mal danach, wie fruchtlos es ist, wenn ein Unsterblicher versucht, einem begabten Gezeitenwächter zu helfen. Dann weißt du, wie hilflos ich deinem Großvater gegenüber bin.«
Declan runzelte die Stirn. Er erinnerte sich an die Geschichte, die Arkady ihm erzählt hatte, als sie aus den Bergen zurückgekehrt war. Die sie von Cayal hatte. »Sprecht Ihr von der Geschichte von dem kleinen Mädchen Fliss, bei der angeblich die Großen Seen entstanden sind?«
»Es ist keine Geschichte, Declan. Auch wenn man weiß, dass Cayal seine Rolle dabei nobler schildert, als sie wirklich war, so ist es doch kein Märchen. Es ist wirklich passiert. Das Tragische dabei ist, dass Shalimar fast so mächtig ist, wie Fliss es damals war. Das Einzige, was ihn bislang davor bewahrt hat, von den Gezeiten zermalmt zu werden, ist der Umstand, dass sie auf dem Tiefststand waren.«
»Aber das ist doch absurd! Wollt Ihr etwa sagen, dass Shalimar die Gezeiten lenken kann?«
»Was ich sage, Declan, ist, dass er nicht lange genug leben wird, um das herauszufinden. Fliss war ein gesundes Kind. Selbst mit der kosmischen Flut auf dem Höchststand dauerte es fast sieben Jahre, bis sie starb. Und wenn sie nicht versucht hätte, sich zu verbrennen, hätte sie auch noch etliche Jahre länger leben können, ehe die Gezeiten sie völlig zerstört hätten. Aber Shalimar ist ein alter Mann. Ich bezweifle, dass er die Kraft hat, so lange gegen die Auswirkungen anzukämpfen.«
»Weiß er es?«
Sie nickte. »Schon lange.«
Declan starrte sie an und wünschte sich so sehr, dass sie log. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass sie die Wahrheit sagte. Sein ganzes Leben lang hatte Shalimar die Gezeiten spüren können, selbst als sie noch weit außerhalb der Wahrnehmungsgrenze eines Gezeitenfürsten waren. Declan erinnerte sich immer noch an die Kopfschmerzen, die seinen Großvater manchmal tagelang außer Gefecht gesetzt hatten. Sie waren mit der Grund, warum er einen Großteil seiner Kindheit damit verbracht hatte, allein durch die Slums von Lebec zu streifen und Unfug zu stiften. So hatte er Arkady getroffen. Sie hatte ihn ertappt, als er auf der Suche nach etwas, das die Schmerzen seines Großvaters lindern konnte, in die Praxis ihres Vaters eingebrochen war.
Aber in der letzten Zeit hatte der alte Mann nichts davon gesagt, dass er Schmerzen hatte. Er hatte keine Kopfschmerzen erwähnt. Mit einem jähen Anflug von Schuldbewusstsein erkannte Declan, dass er Shalimar seit seiner Abstellung nach Herino so selten gesehen hatte, dass er sowieso nichts davon mitbekommen hätte. Das öffentliche Zerwürfnis mit seinem Großvater hatten sie in erster Linie für die Slumbewohner von Lebec inszeniert. Shalimar musste vor all denen beschützt werden, die Grund zur Annahme hatten, dass Declans Ernennung zum Ersten Spion ihnen nichts Gutes verhieß. Aber dadurch war der Kontakt mit seinem einzigen lebenden Verwandten fast völlig unterbunden worden. Er fluchte, wütend, weil er nicht selbst darauf gekommen war.
Gezeiten, sogar Arkady hat mir damit in den Ohren gelegen, und die wusste gar nicht, warum es dem alten Mann nicht gut ging.
»Warum hat er mir nichts gesagt?«, fragte er, als müsste die Unsterbliche eine Antwort darauf haben.
Natürlich hatte sie keine. Das wusste Declan, noch bevor sie entgegnete: »Da musst du ihn schon selbst fragen - wobei es mir lieber wäre, du würdest das nicht tun. Er hat mich dazu gebracht, ihm hoch und heilig zu versprechen, dass ich dir nichts davon sage.«
Declan seufzte. »Könnt Ihr denn irgendetwas für ihn tun?«
Maralyce wirkte unsicher. »Ich schätze, seine Schmerzen kann ich etwas lindern. Aber gegen das Unvermeidliche kann ich nichts ausrichten, nicht mehr als er selbst.«
»Wie lange hat er
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