Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Treffen mit jemandem, auf den Ihr Eindruck machen wollt, Mylady. Wer sollte das sonst sein? Ich kann mir keine andere Seele auf Amyrantha vorstellen.«
»Ich bin es nicht gewohnt, von einer Sterblichen so leicht durchschaut zu werden.«
»Ich wollte Euch nicht verärgern.«
»Das bin ich nicht, Arkady. Etwas beunruhigt, aber nicht verärgert.«
»Ist es Euch denn gelungen, den Bruch zwischen Euch und Brynden zu kitten?«
»Ich bin gerade dabei.«
»Indem Ihr ihm den torlenischen Thron übergebt?«
Kinta lehnte sich in die Kissen zurück. »Ihr denkt, dass ich das vorhabe?«
»Habt Ihr den Kaiser von Torlenien aus einem anderen Grund geehelicht?«
»Könnte doch sein.«
»Mein Gemahl beschreibt ihn als unerfahrenen Jungen. Nicht der Typ Mann, den sich eine fyronnesische Kriegerin zum Gemahl erwählen würde, wenn es ihr sonst keine Vorteile einbringt.«
»Ich muss schon sagen, Ihr riskiert eine Menge, Arkady. Habt Ihr keine Angst, dass ich Euch wegen dieser Anschuldigung in den Kerker ; werfen lasse?«
»Ich denke, es tut Euch gut, jemanden zum Reden zu haben«, sagte Arkady. Sie war sich des Risikos, das sie einging, durchaus bewusst. Aber sie dachte auch, dass sie schon lange über den Punkt hinaus war, wo das noch eine Rolle spielte. Wenn Kinta plante, ihr etwas anzutun, hätte sie es schon getan, als sie ihr auf den Kopf zusagte, eine Unsterbliche zu sein. »Wie habt Ihr das übrigens geschafft? In einer Gesellschaft, die den Menschen solche Zwänge auferlegt wie diese, könnt Ihr doch gar keine Gelegenheit gehabt haben, ihn zu verfuhren.«
»Die Heirat war arrangiert«, erwiderte Kinta. »So wie alle Eheschließungen des Hochadels hier in Torlenien. Er hat Chintara bei der Hochzeit zum ersten Mal gesehen. Gezeiten, ihr eigener Vater hat sie nicht mehr gesehen, seit sie zwölf war.«
»Was wurde aus der echten Chintara?«
»Sie ist tot.«
Arkady war sich nicht sicher, wie sie auf dieses Eingeständnis reagieren sollte, aber das musste sie auch gar nicht. Kinta hatte ihre Gedanken offenbar erraten.
Die Unsterbliche lachte. »Gezeiten! Ihr denkt, ich habe sie ermordet und irgendwo am Wegesrand liegen lassen, was?«
»Ihr wärt nicht die erste Unsterbliche, die so etwas tut. Und ihr Name ist nun mal die torlenische Version Eures fyronnesischen Namens.«
»Seid doch nicht albern, Arkady. Ihr denkt wohl an Chinta, die Bezeichnung für ein stinkendes kleines Nagetier. Nein, Chintaras Name wurde ausgewählt, lange bevor ich des Wegs kam, um ihren Platz einzunehmen.«
So viel zu dieser cleveren Theorie, die Declan daraufgebracht hatte, dass die kaiserliche Gemahlin eine Unsterbliche war. Offenbar war es wirklich nur ein bizarrer Zufall.
»Ihr könnt ganz beruhigt sein, Arkady«, fuhr Chintara fort. »Die echte Chintara starb eines natürlichen Todes. Wenn Ihr es denn unbedingt wissen wollt, sie starb an einer Durchfallerkrankung, die sie sich auf der Reise aus ihrem Heimatort nach Ramahn in der Tiefebene einfing. Ich war zufällig in dem Dorf, in dem sie krank wurde, und gab mich als fahrende Kräuterheilerin aus, weil mir nichts Besseres einfiel. Fahrende Heiler sind den Leuten im Allgemeinen willkommen und werden weniger ausgefragt als andere Fremde. Ich wurde gerufen, um sie zu behandeln, aber in ihrem Zustand konnte ich ihr ohne meine magischen Kräfte nicht mehr helfen. Das war wohlgemerkt vor über fünf Jahren. Damals waren noch keinerlei Anzeichen zu erkennen, dass die Gezeiten wieder umschlagen würden. Chintaras Begleiter schärften mir ein, wie wichtig ihr Überleben war, weil sie den Kaiser von Torlenien heiraten würde. Da sah ich meine Chance.«
»Also habt Ihr sie umgebracht?«
»Natürlich nicht. Wobei ich allerdings zugeben muss, dass ich mich nicht gerade überschlagen habe, um das arme Mädchen zu retten. Sie starb noch in derselben Nacht. Doch das wäre auch geschehen, wenn ich nicht gekommen wäre. Ich legte ihren Schleier an und sagte ihren Anstandswächterinnen - die allesamt zu wohlerzogen waren, um ihrer Prinzessin je ins Gesicht zu sehen -, dass es mir schon viel besser ginge und ich meine Reise fortsetzen wollte. Eine Woche darauf trafen wir in Torlenien ein. Ich wurde mit dem Kaiser verheiratet, tat meine ehelichen Pflichten und machte mich dann daran, Brynden wiederzufinden.«
»Der Kaiser muss bei der Hochzeit sehr jung gewesen sein.«
»Gerade mal fünfzehn«, bestätigte sie.
»Das muss schwierig für Euch gewesen sein.«
Kinta lächelte. »Schwieriger, als mein
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