Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
noch deswegen, und er hat mir versichert, dass Brynden uns nichts anhaben konnte, denn er könne seine Angriffe abwehren. Es gab keinen Grund, warum ich ihm nicht glauben sollte. Schließlich ist er ein Gezeitenfürst, genau wie Brynden. Sie sind beide gleich mächtig. In einer offenen Auseinandersetzung wäre Cayal wohl sogar eine Nasenlänge vorn gewesen.
Im Nachhinein bin ich mir ziemlich sicher, dass er Brynden hätte aufhalten können. Wenn er es gewollt hätte.
Und das war mein Fehler. Er wollte das ja gar nicht.
Ich hatte vergessen, dass Cayal sterben wollte.
Der unsterbliche Prinz brannte nicht mit mir durch, weil er Bryndens Zorn fürchtete. Er tat es, um ihn so richtig anzustacheln.
Ihr wisst, wie es weiterging, schließlich ist die Geschichte in die Legende eingegangen. Euer blödsinniges Tarot hat da ausnahmsweise einmal recht. Brynden fand uns irgendwann - ich glaube, auch das war Cayal zu verdanken - und brachte den Zorn des Himmels auf uns herab.
Wir waren gerade auf einem Schiff, auf dem Weg ins Binnenland von Glaeba. Der brennende Felsen, den er nach uns warf, war so groß wie ein Haus, und er traf uns. Ich vermute, dass Brynden Helfer hatte. Der Volltreffer war zu präzise, um ein Werk des Zufalls zu sein, und Brynden wäre von alleine nie auf die Idee gekommen, einen Kometen vom Himmel zu holen und auf uns herabzuschleudern. Ihr erinnert Euch, Lukys war mit ihm in Tenatien, und das Ganze klingt eigentlich ziemlich nach ihm. Vielleicht hat er seine Macht mit Bryndens Macht vereinigt, um das zuwege zu bringen.
Ich hätte nicht gedacht, dass die Gezeiten schon hoch genug standen, oder dass einer von uns überhaupt mächtig genug war, so etwas zu schaffen, aber bei Lukys weiß man nie.
Das war übrigens euer letztes Weltenende. Auch als die Gezeiten hoch standen, konnten die Unsterblichen und selbst die vollwertigen Gezeitenfürsten kaum etwas tun, um den Schaden zu beheben, den ein Meteorit dieser Größe anrichtete, als er ins Meer fuhr. Tryan und Elyssa taten angeblich ihr Bestes, um die Folgen möglichst gering zu halten. Schließlich hatte Syrolee Pläne, die Weltherrschaft an sich zu reißen, und eine globale Katastrophe kam ihr dabei recht ungelegen. Aber ihre Bemühungen nützten letztlich nicht viel - kaum ein Jahrhundert später schlugen die Gezeiten wieder um, und wir Unsterblichen taten, was wir dann immer tun - uns in unsere Verstecke verkriechen und die nächste Flut abwarten.
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Wenn Kinta ihrer Erzählung noch etwas hinzuzufügen hatte, würde Arkady es heute nicht mehr erfahren, denn an diesem Punkt erschien Nitta und unterbrach sie mit dem Mittagsmahl. Arkady war im Grunde dankbar für die Ablenkung. Einige Elemente von Kintas Geschichte waren ihrer eigenen Begegnung mit Cayal erschreckend ähnlich, und das Gehörte zwang sie dazu, ihre Beziehung zum unsterblichen Prinzen um einiges zynischer zu betrachten.
Wie sich das Ganze entwickelt hatte - die Isolation, die langen Gespräche mitten in der Nacht, die vertraulichen Geständnisse, noch ehe es überhaupt zu etwas Körperlichem kam ... Selbst sein verzweifelter Wunsch, etwas zu finden, wofür er leben konnte - ein Wunsch, der offenbar alles durchdrang, was Cayal sagte und tat - und die herzlose Art, wie er Kinta fallen gelassen hatte, sobald Brynden auf dem Heimweg war ... all das klang erschreckend vertraut.
Arkady konnte nur hoffen, dass man ihr die inneren Qualen nicht ansah. Sie bemühte sich, ein gelangweiltes Gesicht zu machen, während Nitta am Eingang des Pavillons Aufstellung nahm und die übrigen Sklaven beim Auftragen eines Mahles überwachte, das aus Bratenscheiben, Brotfladen und allerlei gekühlten exotischen Früchten bestand. Nach einer Weile wurde das diensteifrige Getue auch Kinta zu viel, und sie befahl den Sklaven zu gehen.
Als sie endlich wieder allein waren, richtete die Unsterbliche den Blick auf ihre Gefährtin. Zu Arkadys gewaltiger Erleichterung schien Kinta gar nicht auf den Gedanken zu kommen, dass ihre Erzählung mehr für sie sein könnte als eine faszinierende Anekdote über das seltsame und manchmal verantwortungslose Treiben der Unsterblichen. »So, nun kennt Ihr die ganze erbärmliche Wahrheit.«
»Habt Ihr seit dem Weltenende mit Brynden gesprochen?«
»Nicht persönlich.«
»Aber Ihr hofft darauf, ihn bald wiederzusehen.«
Kinta lächelte. »Ihr scheint Euch über meine Absichten sehr im Klaren zu sein.«
»Ihr verausgabt Euch mit Vorbereitungen für ein bevorstehendes
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